Ich hab geträumt von Manderley – Rebecca




ZWEITER AKT
Szene 1a

Gang.
Während sich der Vorhang hebt, geht die Entr Acte Musik gleitend in die
Szenenmusik über. Man hört das Meer rauschen. Ein nebeliger Tag dämmert herauf.
Es ist der Morgen nach dem Kostümball. Mrs. Dan vers steht am Fenster und
lauscht auf die Brandung. Durch den kaum erleuchteten Gang vor dem Zimmer irrt
“Ich “. Sie trägt einen Morgenmantel. Man sieht ihr an, dass sie eine
schlaflose Nacht hinter sich hat. Sie klopft an die Tür. Mrs. Danvers rührt
sich nicht.

ICH:   Maxim? Bitte, Maxim. Ich weiß, dass du da
drin bist. Dein Bett war unberührt. Die Erinnerung hat dich in Rebeccas Zimmer
getrieben. Und schuld bin ich, weil … Aber ich schwöre dir

Ich
hatte doch keine Ahnung,
dass ich dasselbe Kleid trug wie Rebecca.
Ich wollt’ du könntest vergessen.
Doch du lebst noch mit Rebecca,
denn du liebst sie,
liebst sie noch immer.
Ich hab’ es längst bemerkt:
Wenn wir uns küssen, denkst du an Rebecca.
Und kommt sie auch nie mehr wieder,
du wirst ewig auf sie warten.
Was auch immer ich dir bedeute.
Und wenn du mich ansiehst,
vergleichst du mich mit Rebecca.
Und wenn du durch das Haus gehst,
spricht jeder Gegenstand von Rebecca.
Wo immer wir geh’n und steh n,
sie folgt dir nach wie ein Schatten.
Was auch immer wir tun,
du denkst jedesmal:
Das tat ich auch mit Rebecca,
und auch das tat ich mit Rebecca,
und das und das und das! Mrs. Danvers geht zur Tür.
Was ich auch tu, ist falsch.
Immer wieder steht zwischen uns Rebecca.
Sie lebt in deinen Gedanken.
Nie wirst du mir ganz gehören.
Immer fällt auf mich ihr …

Mrs.
Danvers ößhet die Tür und betrachtet “Ich ” mit spöttischer
Herablassung. “Ich” starrt Mrs. Danvers an, als wäre sie ein
Gespenst.


Schatten. –

 

ZWEITER AKT
Szene 1b

Rebeccas
Zimmer.

MRS. DANVERS: Guten Morgen, Madam.

ICH:             Sie?

MRS. DANVERS: Sie sind früh auf heute, Madam.
Haben Sie schlecht geschlafen?

ICH:             Ich
habe kein Auge zugemacht.

Mrs.
Danvers geht zum Fenster zurück. “Ich ” zögert einen Augenblick lang,
bevor sie ihr nachgeht, um sie zur Rede zu stellen.

MRS. DANVERS: Das Wetter. Der Nebel drückt aufs
Gemüt.

“Ich”
kann ihre Verbitterung nicht länger verbergen.

ICH:   Sie wissen genau, was auf mein Gemüt drückt,
Mrs. Danvers. Ihr Kostümvorschlag… Das Ganze war eine böse, hinterhältige
Falle. Wie dumm ich war! Sie wollten mich bloßstellen. Warum? Warum hassen Sie
mich? Was habe ich Ihnen getan?

Mrs.
Danvers dreht sich um. Ihr Gesicht ist voll Verachtung.

MRS. DANVERS: Sie wollen Mrs. de Winters Platz
einnehmen.
Nachts
in dem Haus
am Meer
seufzen die Schatten.
Hüte dich!
Fürchte dich!
Alle Tür’n sind
verboten,
versperrt und bewacht.
Und wer hier eindringt,
soll verflucht sein
und verloren.
Jeder Raum
in diesem Haus
atmet Melancholie.
Alle Dinge hier
warten auf sie.
Rebecca,
wo du auch immer bist,
dein Herz ist ruhlos
wie die wilde, freie See.
Wenn der Abend beginnt,
singt der Wind:
Rebecca,
komm heim, Rebecca!
Aus dem Nebelreich
zurück nach Manderley.
Nichts,
was ihr sagt
und tut,
bleibt ihr verborgen.
Hüte dich!
Fürchte dich!
Sie lässt sich nicht
bestehlen
und rächt den Verrat.
Wer sie beleidigt,
wird es eines
Tages büssen.
Dieses Haus ist
ihr Zuhaus.
Alles wartet auf sie.
Die sie liebten,
vergessen sie nie.
Rebecca,
wo du auch immer bist,
dein Herz bleibt ruhlos
wie die wilde, freie See.
Wenn der Abend beginnt
singt der Wind:
Rebecca,
komm heim, Rebecca!
Aus dem Nebel reich
zurück nach Manderley.

Mrs. Danvers drängt “Ich” zum offenen
Fenster.

MRS. DANVERS & SCHATTEN: TU nicht,
was sie empört!

ICH:             O,
nein!

MRS. DANVERS & SCHATTEN: Nimm nicht,
was ihr gehört!

ICH:             Nein!

MRS. DANVERS & SCHATTEN: Wer sie stört, wird
zerstört.

ICH:             Nein!

MRS. DANVERS: Rebecca,
wo du auch immer bist,
dein Herz bleibt ruhlos
wie die wilde, freie See.
Wenn der Abend beginnt
singt der Wind:
Rebecca,
komm heim, Rebecca!
Aus dem Nebelreich
zurück nach Manderley.

SCHATTEN (gleichzeitig): Komm heim!
Wenn der Abend
beginnt
singt der Wind:
Rebecca,
komm heim, Rebecca.
Komm heim …

ICH (gleichzeitig): Sie ist fort,
weit fort.
Wer tot ist, kehrt
nicht mehr zurück.
Was war, ist vorbei.
Warum dann
hab ich Angst vor …

ALLE:          Rebecca!

 

ZWEITER AKT
Szene 1c

Fenster.
Mrs. Danvers fordert “Ich” mit einer Geste auf, aus dem Fenster zu
springen. “Ich” ist wie hypnotisiert.

MRS. DANVERS: Nur ein Schritt
von hier zur Ewigkeit.
Tief unter dir
rollt und rauscht
das Meer.
Du wirst nie glücklich werden.
Niemand braucht dich.
Du bist eine Last für Mr. de Winter.

SCHATTEN: Spring!

MRS. DANVERS: Statt ihr gehörst du in die
Friedhofsgruft.
Es wäre besser für ihn und für dich.
Mach Schluss!
Ihr habt es beide
besser nicht verdient!
Ein Schritt genügt.

SCHATTEN & MRS. DANVERS: Spring!

Das
Geräusch einer Explosion unterbricht Mrs. Danvers Beschwörung. Ein zweiter und
dritter Kanonenschlag dröhnt vom Strand herauf. “Ich ” erwacht wie
aus einer Trance.

ICH:             Was
ist das? Was ist los?

Mrs.
Danvers ist auf einmal wieder die kühle, maskenhafte Angestellte.

MRS. DANVERS: Raketen. Alarm in der Bucht. Wahrscheinlich ist ein
Schiff gestrandet.

Black
Out. Verwandlung.

 

ZWEITER AKT
Szene 2

Strand.
Am felsigen Ufer unterhalb der Klippen von Manderley haben sich zahlreiche
Bewohner der Küste versammelt, um Besatzung und Fracht eines gestrandeten
Schiffs zu bergen.

MENGE: Raketen!
Ein Schiff
gestrandet
am Riff!
Da drüben!
Der Bug!
Ein Licht!
Sie haben die Bucht
mit dem Hafen verwechselt.
Der Nebel
war wieder
sehr dicht.

Auf
der Suche nach Maxim irrt “Ich ” durch den Nebel.

MENGE: Der Flagge
nach ein
französisches
Schiff.
Sitzt fest
und kommt
nicht mehr weg.
Der Rumpf ist geborsten,
und bald wird es sinken.
Das Wasser
läuft schon übers Deck.

ICH:             Maxim!
Maxim!

MENGE: Hey, ho, verteilt euch!
Der Preis ist es wert.
Die Schwimmwesten übergestreift!
Hey, ho, beeilt euch!
Das Strandgut gehört
dem, der zuerst danach greift!

Endlich
hat “Ich ” ein bekanntes Gesicht entdeckt, nämlich Frank Crawley.

ICH:             Frank!
Wo ist Maxim?

FRANK
CRAWLEY: Sicher mit einem der Boote hinausgefahren. Maxim ist immer unter den
ersten, wenn Not am Mann ist.

MENGE: Hey, ho, ans Ruder!
Ein Schiff ist in Not.
Rettet, was treibt in der Flut!

ICH (zu sich): Wenn ihm nur nichts zustößt!

Auf
einmal steht Jack Favell hinter ihr.

JACK FAVELL: Keine Sorge. Das Meer ist hier kaum
tiefer als ein Ententeich.

ICH:             Mr.
Favell?

JACK FAVELL: Freut mich, dass Sie sich an mich
erinnern, Mrs. de Winter.

ICH:             Was
machen Sie hier?

JACK
FAVELL: Ich liebe Katastrophen. Es macht Spaß, dem Unglück von anderen
zuzuschauen.

Jack
Favell geht weiter und verschwindet im Nebel.

MENGE: Hey, ho, ihr Leute!
Dass keiner sich schont
an einem Morgen wie heut.
Hey, ho, macht Beute!
Das Strandgut belohnt,
den, der die Mühe nicht scheut.

Frank
Crawley berichtet “Ich” über den Stand der Rettungsmaßnahmen.

FRANK CRAWLEY & MENGE: Die Beamten vom
Wachboot
sind draussen beim Schiff,
und ein Taucher prüft grade das Leck.

Frank
Crawley verlässt “Ich”, um sich um die Bemannung eines Boots zu
kümmern.

MENGE: So ist es Recht,
tausend Jahre lang schon:
Strandgut ist Handgut und frei!

“Ich ” hört Schritte im Nebel und dreht
sich um.

ICH:             Maxim!

Doch
es ist abermals Jack Favell.

JACK
FAVELL: Bedaure, wieder nur ich. Aber ich bringe Neuigkeiten. Der Bericht des
Tauchers liegt vor.

ICH:             Ich
suche meinen Mann. Der Bericht des Tauchers interessiert mich nicht.

JACK
FAVELL: Das sollte er aber. Als der Mann da unten den Kiel untersuchte,
entdeckte er ein Wrack am Meeresboden. Das Segelboot von … Rebecca.

ICH:             O
Gott! Ich muss Maxim finden, bevor er davon hört.

JACK
FAVELL: Warten Sie! Das ist noch nicht alles. Auf dem Kabinenboden liegt eine
Leiche.

ICH:             Ein
Leiche?

JACK FAVELL: Gruselig, was?

Sie läuft davon. Jack Favell lacht.

MENGE 1: Der Flagge
nach ein
französisches
Schiff.
Sitzt fest
und kommt
nicht mehr los.
Der Bug ist beschädigt.
Der Rumpf ist geborsten.
Es sinkt gleich.
Das Leck ist zu gross.

MENGE 2 (gleichzeitig): Hey, ho, verteilt euch!
Das Schiff
ist zerstört.
Es hat
einen Felsen gestreift.
Hey, ho, beeilt euch!
Das Strandgut
gehört
dem, der zuerst
danach greift!

JACK FAVELL (gleichzeitig): Jemand
kriegt jetzt
einigen Ärger.
Schicksal
nimm deinen
Lauf.
Für ihn
wird es jetzt
unangenehm.
Ich aber
freu mich
drauf.

MENGE & JACK FAVELL:
Strandgut ist Handgut.
Holt es ein!
Strandgut ist Handgut.
Bringt es rein!
Strandgut ist Handgut.
Tragt es heim!
Strandgut ist Handgut.
Strandgut ist Handgut.
Holt es ein!
Strandgut ist Handgut.
Bringt es rein!
Strandgut ist Handgut.
Tragt es heim!
Strandgut ist Handgut.
Strandgut ist Handgut.
Strandgut ist Handgut.

Blackout.
Verwandlung.

 

ZWEITER AKT
Szene 3a

Bootshaus.
Auf der Suche nach ihrem Mann steht “Ich” plötzlich vor dem
Bootshaus. Wie immer kauert dort Ben. Er spielt mit Steinen und blickt auf, als
“Ich ” näher kommt.

ICH:             Maxim!
Wo bist du? Maxim!

BEN:           Sie’s
fort.
Sie’s fort jetz’.
Kommt nimmermehr.
Liegt draussen im Meer drunten,
und kann nie mehr zurück.
Versunken, ertrunken!

Knarrend
öffnet sich die Tür des Bootshauses. Ben springt auf und rennt davon. Im
Türrahmen steht Maxim, ungepflegt, übernächtigt, leichenblass.

ICH:   Maxim!
Ich hatte solche Angst um dich. Bitte, Maxim, bitte verzeih’ mir!

MAXIM:        Dir
verzeihen? Was hätte ich dir zu verzeihen?

ICH:   Wegen
gestern Abend.

MAXIM:        Ach
das. Das ist nicht mehr wichtig. Nichts ist mehr wichtig. Zu spät. Unser
kleines bisschen Glück- vorbei. Aus.

ICH:             Das
weiss ich Maxim. Gegen Rebecca komme ich nicht an.
Sie ist zurückgekehrt.
Mehr denn je sehnst du dich nach Rebecca.
Niemand kann sie dir ersetzen.
Du wirst immer um sie trauern,
darum wirst du
mir nie gehören.
Ich werf es dir nicht vor,
und ich will dich nicht trennen von Rebecca.
Du musst mich gar nicht lieben,
wenn ich nur bei dir sein kann,
um dir Liebe
und Trost zu geben.
Ich weiss, sie lässt dich niemals los.
Du liebst sie zu sehr.

MAXIM:        ZU
sehr? Rebecca? Ich habe sie nicht geliebt.

ICH:             Was?

MAXIM:        Ich
habe Rebecca gehasst.

 

ZWEITER AKT
Szene 3b

Geständnis.

MAXIM:        Sie war bösartig, gemein und durch und
durch verdorben. Zu Liebe war sie gar nicht fähig.

Keiner hat sie
durchschaut.
Jeder Mann, der sie sah,
war fasziniert,
wie freundlich und charmant sie war.
Alle führte sie hinters Licht,
genau wie mich.
Sie liefen ihr nach
und umschwärmten sie.
Jeder war wie von Sinnen.
Genau wie ich.
Kein Lächeln war je so kalt.
Es nahm mir den Verstand.
Vielleicht vergess’ ich ihr Gesicht,
jedoch ihr Lächeln vergess’ ich nicht.
Erinn’re dich an die Fahrt
in die Berge mit mir.
Ich fuhr auch mit ihr
auf die Höhen von Monte Carlo.
Dort hat sie mir erklärt,
dass sie mich nur benutzt.
“Ich schlag’ ein Deal vor,”
sagte sie schlau.
“Ich betrüg’ dich weiter,
doch ich spiel deine Frau.”
Aus Angst vor dem Skandal
liess ich mich ein auf den elenden Handel.
Scheidung war für die de Winters tabu.
Die Familienehre
war mehr wert als mein Stolz.
Das wusste sie,
und genoss den Triumph.
Kein Lächeln war je so kalt,
wie gut hab ich’s gekannt.
Vielleicht vergess’ ich ihr Gesicht,
jedoch ihr Lächeln vergess’ ich nicht.
Zuerst tat sie ihren Teil,
spielte die Ehefrau.
Und Manderley,
so wie es heute bewundert wird,
sorgsam renoviert,
ist gänzlich das Werk
von Rebecca.
Doch dann lud sie ohne jede Scham
ihre Liebhaber ein,
hat hier im Bootshaus
die Nächte verbracht.
Ich warnte sie,
doch
ihr Blick
war voll Spott.
Kein Lächeln war je so kalt…

Einer
ihrer Liebhabern war ein Cousin von ihr. Ein windiger Bursche namens Jack
Favell.

ICH:             Ich
kenne Favell. Er war hier, als du in London zu tun hattest.

MAXIM:        Warum
zum Teufel hast du mir das nicht erzählt?

ICH:             Ich
dachte, es würde dich wieder an Rebecca erinnern.

MAXIM:        Mich
an Rebecca erinnern? Mein Gott, als ob das nötig wäre.
Eines Nachts
kam sie heim aus London,
doch sie blieb nicht im Haus.
Und als ich Licht im Bootshaus sah,
war ich sicher, dass sie mit Favell
hier unten war. Genug ist genug, dachte ich. Und ging ins Bootshaus.
Doch siehe da –
Rebecca war allein.
Gelangweilt lag sie auf der Couch,
und ihr
Aschenbecher voller Kippen
stand am Boden.
Sie war blass, schwach,
doch voll Hass.
Ich sagte ihr: “Du brichst
dein verdammtes Versprechen.
Du wirst schamlos.
Du treibst es in meinem Haus
so als ob’s ein Bordell war.”
Da stand sie auf,
warf den Kopf zurück
und sagte lächelnd:
“Was machst du,
wenn ich ein Kind bekomm?
Man wird denken,
es war deins.
Auf jeden Fall ist es meins.
Und einmal wird
Manderley ihm gehör’n.
Deine perfekte Gattin, Max,
wird die perfekte Mutter sein.
Und du spielst den Papa
als der perfekte Narr.”
Kein Lächeln war je so kalt,
So lächelte nur sie …
Mir stieg das Blut zu Kopf.
Ich stiess sie weg.
Und sie stürzte und fiel.
Ich weiss nicht, wie’s geschah.
Sie lag da.
Ich dachte, ich helf
ihr auf.
Jedoch:
Sie war tot…
…und lächelte noch.
Dann trug ich sie auf ihr Boot
und brachte sie nach unten.
Dann fuhr ich das Boot hinaus
und versenkte es,
wo man es heute fand.
Sie hat mich besiegt.
Sie gewinnt noch im Tod!
Kein Lächeln war je so kalt»
Es nahm mir den Verstand.
Es ist ihr Lächeln, das
ich vor mir seh’,
wohin ich auch geh’.
Kein Lächeln war je,
kein Lächeln war je so kalt.

ICH:             Warum
hast du nicht die Polizei gerufen? Es war doch ein Unfall…oder?

MAXIM:        Ich weiss es nicht. Ich schwöre, ich
weiss es nicht. Jetzt ist alles aus. Rebecca hat gewonnen.

ICH:   Unsinn. Außer dir und mir weiß niemand auf
der Welt, was wirklich geschehen ist. Und niemand wird es je erfahren.

MAXIM:        Schau
mich an! Das Kind in deinen Augen ist verschwunden.

ICH:             Ja.
Ich werde nie mehr ein Kind sein.

MAXIM:        Kannst
du mir ins Gesicht sehen und sagen, dass du mich noch immer liebst?

ICH:             Ich
liebe dich. Ich liebe dich so sehr.

Sie
greifi nach seiner Hand und drückt sie.
Es wird dunkel. Verwandlung.

 

ZWEITER AKT
Szene 4

Frühstückszimmer.
Frith und Robert sitzen, da sie sich unbeobachtet fllhlen, entspannt am
abgeräumten Tisch. Robert liest die Zeitung vom Tage.

ROBERT: Genau das habe ich befürchtet, Frith. Die
Presse macht eine Sensation draus. Mr. de Winters Bild auf Seite eins. Jetzt
kommt die ganze Sache wieder hoch.

FRITH: Leg die Zeitung weg.

ROBERT: „Was geschah wirklich in der Bucht von
Manderley?”

FRITH: Schmierfinken.

Beatrice
tritt auf. Robert und Frith springen auf.

BEATRICE: Guten Morgen, Frith.

FRITH: Guten Morgen, Madam! Ich habe nicht
gewusst, dass Sie …

BEATRICE:
Das konnten Sie auch nicht. Ich dachte, ich schau mal kurz rein. Nach allem,
was gestern passiert ist…

FRITH: Mr. de Winter ist in der Bibliothek – mit
Oberst Julyan. Der Oberst kam vor einer halben Stunde, unangemeldet.

BEATRICE: O Gott!

ROBERT: Soll ich ihm sagen, dass Sie hier sind,
Madam?

BEATRICE: Nein, Robert. Da störe ich lieber nicht.

Beatrice
hört gar nicht richtig zu, da die Zettung ihre Aufmerksamkeit in Anspruch
nimmt. Sie überfliegt die erste Seite und wirft das Blatt dann auf den Tisch
zurück. “Ich” tritt auf Frith und Robert gehen ab.

ICH:   Bee!
Wie lieb von dir, vorbeizukommen! Guten Morgen.

BEATRICE: Ich wollte nur sehen, wie du mit allem
fertig wirst.

ICH:   DU
weißt also, was passiert ist.

BEATRICE:
Ganz Cornwall spricht über nichts anderes. Jetzt wird der ganze Fall wieder
aufgerollt. Man wird die genauen Umstände des Todes von Rebecca untersuchen…

ICH:   ES war
ein Unfall.

BEATRICE:
Gewiss. Aber warum ist Oberst Julyan hier? Bestimmt in seiner Eigenschaft als
Polizeipräsident des Bezirks.

ICH:   Er
muss Maxim befragen. Eine Formsache.

BEATRICE:
Ich fürchte nein. Es wird eine öffentliche Voruntersuchung geben. Neue
Ermittlungen und die Entscheidung, ob es zu einer Anklage kommt. Der arme
Maxim! Er hat damals eine falsche Frau identifiziert. Gar nicht auszudenken,
wohin ein neues Verfahren führen kann.

ICH:   ES wird nirgends hinführen, Bee. Wie immer
die Untersuchung ausgeht, Maxim hat nichts zu befürchten.

Einen
Moment lang mustert Beatrice ihre Schwägerin mit einem erstauntem Blick. Es
verblüfft sie, wie “Ich ” sich verändert hat.

BEATRICE: Ich bin wirklich froh, dass er dich hat.

BEATRICE: Du glaubst an ihn, wenn er zweifelt an
sich.
Du fühlst die Angst, die er nie eingesteht.
Gibt er die Hoffnung auf,
reicht dein Mut für zwei.
Du zeigst ihm einen Weg,
auf dem es weiter geht.
In dir ist die Stärke einer Frau,
die kämpft um den Mann, den sie liebt.
Wenn sie fühlt, dass er in Gefahr ist,
versetzt sie Berge und teilt das Meer
mit der Stärke einer liebenden Frau.
Du holst ihn ein, wenn er sich verirrt.

ICH:             Ich
bau ihn auf, wenn er müde wird.

BEATRICE: Du stellst dich vor ihn, wenn man ihn
bedroht.

ICH:             Ich
sprech für ihn, wenn niemand für ihn spricht.

BEATRICE & ICH: Eine Frau läuft nicht fort,
wenn man sie braucht.
Was in ihr steckt, zeigt sich oft
im Augenblick der Not.
Denn das ist die Stärke einer Frau.
Sie kämpft um den Mann, den sie liebt.
Wenn sie fühlt, dass er in Gefahr ist,
versetzt sie Berge und teilt das Meer
mit der Stärke einer liebenden Frau.

BEATRICE: In der Dunkelheit gibt sie ihm Zeichen,

ICH:             und
im Sturm der Zeit gibt sie ihm Halt.

BEATRICE & ICH: In dir/mir ist die Stärke
einer Frau,
die kämpft um den Mann, den sie liebt.
Wenn sie fühlt, dass er in Gefahr ist,
versetzt sie Berge und teilt das Meer
mit der Stärke einer liebenden,
Stärke einer liebenden,
der Stärke einer liebenden
Frau.

Beatrice
verabschiedet sich von “Ich ” mit einer Umarmung und geht ab.
“Ich” folgt ihr, während es dunkel wird und die Szene wechselt.

 

ZWEITER AKT
Szene 5 Korridor.

Das
Hauspersonal schleppt Möbel, Vasen, Lampen, Bücherstapel, Gemälde, Kisten und
Schachteln über die Bühne.

BEDIENSTETE GRUPPE 1: Schleppt, schleift und
schiebt,
denn es gibt
viel zu tun.
Nichts bleibt wie immer.

BEDIENSTETE GRUPPE 2: Rutscht, rollt und rückt,
zieht und drückt.
Stück für Stück
wird gründlich umgeräumt.
Nichts bleibt da,
wo es war,
von dem ganzen Inventar
von unserer alten
Mrs. de Winter.

BEDIENSTETE GRUPPE 2: Schafft alles raus
aus dem Haus,
damit nichts
an sie erinnert.

BEDIENSTETE GRUPPE 1: Weg damit und
fragt nicht weiter nach dem Grund.

BEDIENSTETE GRUPPE 2: Was geschieht,
ist der Wunsch …

BEDIENSTETE GRUPPE 2:… uns’rer neuen
Mrs. de Winter.

MÄNNER: Füllt Fach um Fach
unterm Dach
mit den Bildern
und den Büchern.

FRAUEN: Schlagt das Geschirr
in Papier
und passt auf –
in den Kisten ist das Glas.

ALLE BEDIENSTETEN: Alles wird
neu möbliert.
Ab jetzt herrscht in Manderley
eine vollkommen and’re
Mrs. de Winter.

VIELE BEDIENSTETE: Welch ein Verdruss!
Warum muss
sich auf einmal
alles ändern?
Es war doch nett.
So adrett.
Ausserdem
war’n wir’s gewöhnt.
Doch es war
ja der Stil
von uns’rer alten
Mrs. de Winter.
Schleppt, schleift und schiebt,
Tisch für Tisch,
Schrank um Schrank.
Nichts bleibt wie immer.
Weg damit und
fragt nicht weiter
nach dem Grund.
Was geschieht,
ist der Wunsch
uns’rer neuen
Mrs. de Winter.
Mrs. de Winter!

EINIGE BEDIENSTETE (gleichzeitig): Gestern noch
war sie scheu,
schüchtern fast
und ziemlich scill.
Jetzt sagt sie,
was sie will.
Sie ist streng,
sie ist stolz.
Beinah wie
unsere alte
Mrs. de Winter.
Gestern erst
glaubten wir,
sie wird uns
nie schikanieren.
Aber jetzt
kommandiert
sie herum.
Über Nacht
wurde sie
zu uns’rer neuen
Mrs. de Winter.
Mrs. de Winter. Die Bediensteten gehen ab. Lichtwechsel.
Verwandlung.

 

ZWEITER AKT
Szene 6

Mo
rgenzimmer.
“Ich ” räumt Rebeccas Briefpapier aus dem Sekretär. Mrs. Danvers tritt
auf. Sie bebt vor Empörung über die Umräumaktion im Haus.

MRS. DANVERS: Bei allem Respekt, Madam. Sie hätten
mir mitteilen müssen, dass Sie die Zimmer umzuräumen wünschen.

ICH:   Das
finde ich nicht, Mrs. Danvers. Aber ich habe Ihnen anderes zu sagen, zum
Beispiel

… Ich
mag keine Orchideen.
Ich möchte stattdessen Azaleen.
Ich will die Töpfe hier
morgen nicht mehr seh’n.

MRS. DANVERS: Das sind die Orchideen
von Mrs. de Winter.

ICH:             Es
riecht muffig hier,
drum machen Sie hier ab und zu
die Fenster auf.

MRS. DANVERS: Mrs. de Winter will das nicht.

ICH:             Sie
will, Sie irren sich.
Mrs. de Winter
bin ich.

“Ich”
nimmt Rebeccas Briefpapier, die Kuverts und das Adressbuch und drückt alles
Mrs. Danvers in die Hände.

Ich
schreib’ nicht auf Briefpapier,
das einer fremden, toten Frau gehört.
Auf den Müll damit!
Es ist nichts mehr wert.
So wie das Buch mit
ihren Nummern und Adressen.

MRS. DANVERS: Es liegt immer hier.
Stets griffbereit so wie die Kuverts
und das Papier.
Mrs. de Winter will das so.

ICH:             O
nein, Sie irren sich.
Mrs. de Winter
bin ich.
Diese Porzellanfigur
fand ich schon immer kitschig.

MRS. DANVERS: Mrs. de Winters Lieblingsfigur.

ICH:             Sie
soll mir nicht länger
den Geschmack verderben.

MRS. DANVERS: Mrs. de Winter erwarb sie auf einer
Auktion.

ICH:             Ein
geklebter Amor bringt kein Glück…

MRS. DANVERS: Mrs. de Winter sagte …

ICH:            
also machen wir ihn wieder zu Scherben!

Sie wirfi die Amorette zu Boden, wo sie zerbricht.

MRS. DANVERS: Nein, nein!!

ICH:             Ich
will hier zuhause sein.
Nicht nur geduldet
wie ein Gast.
Will leben,
wie’s mir gefällt,
egal, ob’s Ihnen passt.
Ich habe lang genug
mich selbst verleugnet.
Das ist jetzt vorbei.
Ich war umgeben
von Schatten,
doch jetzt sind sie fort.
In das dunkle Haus
kommt Licht.
Alles, alles ändert sich.
Mrs. de Winter
bin ich.

MRS. DANVERS (gleichzeitig): Sie ergibt sich
nicht.
Man besiegt sie nicht.
Sie ist stark,
der Macht des Todes
unterliegt sie nicht.
Nein, man sieht sie nicht,
doch ich spür’,
sie ist hier
und lebt noch.
Sie hört uns.
Sie sieht uns.
Sie ergibt sich nicht.
Sie ist stärker.
Sie ergibt sich nicht.
Man besiegt sie nicht.

ICH:             Was
auch immer hier geschah,…

MRS. DANVERS: DU besiegst sie nicht.

ICH:            
nichts wird bleiben wie es war!

MRS. DANVERS: Sie bleibt da!

Mrs.
Danvers kniet sich hin, um die Scherben aufzulesen. “Ich” geht ab.
Es wird dunkel. Szenenwechsel.

 

ZWEITER AKT
Szene 7

Gerichtsaal.
Im “Gang” erscheint “Ich”. Sie hat sich verspätet. Trotzdem
hält sie vor dem Betreten des Gerichtssaals Maxim zurück, um ihm Mut zuzusprechen.

ICH:             Bitte,
Maxim. Lass dich nicht aus der Ruhe bringen.

MAXIM:        Warum
zum Teufel sollte irgendwer mich aus der Ruhe bringen?

ICH:             Du
verlierst so leicht die Fassung.

Sie
umarmen sich.

ICH:             Was
immer auch passiert. Ich liebe dich, Maxim.

Sie
gibt ihm einen Kuss. Beide betreten den Gerichtssaal von Lanyon im Bezirk
Kerrith, den nun auch das Publikum sieht. Alles ist bereit fiir die
Voruntersuchung wegen des Todes von Rebecca de Winter. Die Verhandlung wird
geleitet von dem Untersuchungsrichter Horridge, einem hageren Mann mit einem
Kneifer auf der Nase. Er sitzt zu Beginn der Szene neben den Geschworenen
hinter einem langen Tisch. Zuschauer verfolgen dichtgedrängt die Verhandlung.
“Ich” setzt sich neben Frank. Maxim nimmt auf einem fiir ihn reservierten
Stuhl Platz.

MENGE (geraunt)-. Da ist ja Mr. de Winter,
und keineswegs allein.
Die Frau, die ihn begleitet,
muss seine neue sein.
Erst spricht der Oberst, dann
fängt die Verhandlung an.

Oberst
Julyan erhebt sich und eröffnet mit einem Schlag seines Hammers die
Verhandlung.

OBERST
JÜLYAN: In meiner Eigenschaft als Polizeipräsident von Kerrith habe ich diese
Voruntersuchung einberufen. Es soll entschieden werden, ob im Todesfall Rebecca
de Winter die Einleitung eines Kriminalverfahrens geboten ist. Mit der Leitung
habe ich Untersuchungsrichter Nathaniel Horridge betraut.

Oberst
Julyan setzt sich. Horridge beginnt, Maxim zu vernehmen.

HORRIDGE: Mr. de Winter. Sie haben am 23. Juni letzten Jahres eine Leiche
als ihre vormalige Ehefrau Rebecca de Winter identifiziert.

MAXIM:        Die Leiche war vom Meerwasser völlig
entstellt. Ich dachte, es sei meine Frau.

MENGE: So ein Irrtum ist
sehr einfach zu verstehn.
Wasserleichen sind
entsetzlich anzusehn.
Geht’s bloss um diese Kleinigkeit,
dann ist es schade um die Zeit.

HORRIDGE:
Ich habe hier den Bericht des Hafenmeisters über die Bergung des Segelboots.
Hier steht: “Unter Deck fanden wir eine Leiche. Die Leiche von Rebecca de
Winter.” Warum hat ihre Frau nicht versucht das sinkende Boot zu
verlassen?

MAXIM:        Woher
soll ich das wissen?

HORRIDGE: Nun, Sie war eingesperrt. „Die Luke nach
oben war geschlossen.”

MENGE: Die Luke war versperrt!
Warum? Zu welchem Zweck?
Auf jeden Fall war sie
beim Kentern unter Deck.
Und als das Segelboot versank,
war sie gefangen und ertrank.

HORRIDGE: Kam das öfter vor, dass Ihre Frau nachts
aufs Meer hinausfuhr?

MAXIM:        Sie war eine gute Seglerin und das Boot
war seefest. Niemand konnte ahnen, dass es kentern würde.

HORRIDGE:
Das Boot ist nicht gekentert. Der Bericht des Hafenmeisters ist ganz eindeutig:
“Im Bootsrumpf waren Löcher, offensichtlich von innen gebohrt, und die
Schotten waren geöffnet. Das Boot wurde vorsätzlich geflutet und
versenkt.”

MENGE: Der Bootsrumpf war durchbohrt!
Man hat das Boot versenkt.
Ein Unfall scheidet aus,
was immer man auch denkt.
Hielt nicht ein Unglück sie an Bord,
dann war es Selbstmord oder Mord.

HORRIDGE: Mr. de Winter. Wussten Sie von den Löchern im Rumpf des Bootes?

MAXIM:        Wie
hätte ich davon wissen können?

HORRIDGE: ZU hören, dass das Boot vorsätzlich
versenkt wurde, überrascht Sie also?

MAXIM:        Selbstverständlich
überrascht mich das. Was soll diese Frage?!

HORRIDGE: Wenn es nicht Rebecca de Winter selbst
war, muss jemand mit ihr auf dem Boot gewesen sein.

MAXIM:        Warum sagen Sie mir das?

HORRIDGE: Gab es Probleme in der Beziehung
zwischen Ihnen und Ihrer verstorbenen Frau.

MAXIM (kann sich nicht länger zusammenreißen): Das
ist eine Unverschämtheit. Was soll das? Meine Ehe war … Ich lehne es ab …
das sind verdammte Unterstellungen …

Ein
dramatischer Musikeffekt. “Ich ” wird ohnmächtig und gleitet zu
Boden. Frank Crawley bemüht sich um sie. Maxim springt auf.

FRANK CRAWLEY: Um Gottes Willen! Mrs. de Winter!
Sie ist ohnmächtig geworden.

Große
Unruhe im Saal. Alle drängen sich um „Ich”, die langsam wieder zu sich
kommt. Maxim beugt sich über sie. Oberst Julyan haut mit dem Hammer auf den
Tisch.

OBERST JULYAN: Die Verhandlung wird auf Freitag,
zwei Uhr

Nachmittag,
vertagt. Es wird dunkel. Verwandlung.

 

ZWEITER AKT
Szene 8

Bibliothek.
Jack Favell und Mrs. Danvers treten auf, beide in der Kleidung, die sie im
Gerichtssaal trugen.

MRS. DANVERS: Danke, dass Sie mich zurückgebracht
haben, Favell.

JACK FAVELL: O, nichts zu danken, Danny. Ich komme
immer wieder gern nach Manderley.

MRS. DANVERS: Was denken Sie, Favell? Wie geht es
nun weiter?

JACK FAVELL: Wer weiß. Die Herren Geschworenen
werden dem ehrenwerten Maxim de Winter keinen Mordverdacht anhängen … es sei
denn, ein klarer Beweis zwingt sie dazu.

MRS. DANVERS: Sie müssen fort, Favell. Nehmen Sie
die Hintertür!

JACK FAVELL: O nein, Danny. Ich bleibe. Ich habe etwas zu besprechen
mit Mr. de Winter.

Er
lässt sich in einen der Sessel fallen. Mrs. Dan vers zuckt die Schultern und
geht ab.

MRS. DANVERS: Wie Sie wollen, Favell. Ich habe Sie
gewarnt.

JACK FAVELL: Hey, Frith, altes Haus!
Bringen Sie mir einen
Whiskey-Soda!

“Ich”
und Frank treten auf.

FRANK CRAWLEY: Was suchen Sie hier?

ICH:             Wer
hat Sie hereingelassen?

JACK
FAVELL: Oh, so energisch auf einmal!? Wie schön, dass Sie sich erholt haben von
ihrem Schwächeanfall, Mrs. De Winter.

ICH:   Mein Mann wird gleich hier sein. Ich würde es
nicht riskieren ihm unter die Augen zu kommen.

JACK FAVELL: Ach wissen Sie, ich riskiere es. Ich
habe etwas sehr wichtiges mit ihm zu besprechen.

Er
kichert. Frith trägt ein Glas, einen Wasserkrug und eine Flasche Whiskey herein
und stellt das Tablett auf den Tisch neben Jack Favells Sessel. Jack Favell
gießt sich selbst das Glas voll Whiskey und nimmt einen großen Schluck.

FRANK CRAWLEY: Was wollen Sie?

JACK
FAVELL: Ah, der getreue Frank! Der standhafte, keusche Diener seines Herrn! Was
ich will?

Was
ich will, ist ein Haus.
Kein Palast, nur eine Villa.
Vor dem Portal ein Cabrio.
Im Keller reichlich Veuve Cliquot.
Bisher versuchte ich es leider
wie andre Trottel mit Talent und Fleiss.
Inzwischen habe ich gelernt,
in dieser Welt kommt man nur weiter,
wenn man die gold’ne Regel weiss:
Eine Hand wäscht die and’re Hand.
Ich halt das Maul und kassiere.
Geheimes Wissen ist wie ein Band,
das jeden Feind
mit mir vereint,
solang ich profitiere.
Ich will in London meinen Schneider.
Ich will am Strand von Cannes mein Stammhotel.
Ich will nicht knausern mit dem Geld,
und wenn es einmal knapp wird, dann
will ich Nachschub,
und zwar schnell.
Eine Hand wäscht die and’re Hand.
Ich halt das Maul und kassiere.
Geheimes Wissen ist wie ein Band,
das jeden Feind
mit mir vereint,
solang ich profitiere.
Natürlich steht ihr zu Max de Winter,
ihr wohnt ja gut in seinem Haus.
Ihr trinkt den feinen Wein von ihm,
und steckt ihr in der Tinte,
holt er euch selbstverständlich raus.
Eine Hand wäscht die and’re Hand.
Jeder lässt sich gern schmieren.
Wer ist schon gern ein Denunziant?
Wir sind loyal.
Auf jeden Fall,
solang wir profitieren.
Eine Hand wäscht die and’re Hand.
Ich halt das Maul und kassiere.
Geheimes Wissen ist wie ein Band,
das jeden Feind
mit mir vereint,
solang ich dabei profitiere.

Er
lacht und schenkt sich das inzwischen leere Glas wieder randvoll. Maxim tritt
auf.

JACK
FAVELL: Ach, da ist ja der gute Max! Ich trinke auf Dein Wohl. Du kannst es
brauchen, und mir hilft es über den Schock.

MAXIM:        Raus!

JACK FAVELL: Etwas mehr Mitgefühl, Max! Rebecca
war doch meine Lieblingscousine. Und was ich heute erfahren habe, ist nicht
leicht zu verdauen. Ihr Boot vorsätzlich versenkt! Löcher im Bootsrumpf.
Tt-tt-tt! Wer macht denn so was?!

MAXIM:        Kommen
Sie zur Sache

JACK
FAVELL: Nun, ich besitze den klaren Beweis dafür, dass es kein Selbstmord war.

MAXIM:        Wenn
Sie im Besitz eines Beweisstücks sind, müssen Sie es den Behörden aushändigen.

JACK FAVELL: Ja, das muss ich. Aber das heißt für
einen gewissen Max de Winter Gefängnis, Schwurgericht, Galgen. Und seine junge
Frau würde ich damit zur Witwe machen. Das bringe ich nicht übers Herz. Mir schwebt
da eine Art Vereinbarung vor. Eine Hand wäscht die andere. Ich komme Ihnen
entgegen, und Sie mir. Sie verstehen schon.

MAXIM:        Allerdings.
Ich verstehe sehr gut. Zum Glück hat mich Oberst Julyan hier her begleitet…

Maxim
geht selbst zur Tür und ruft in die Halle.

Oberst! Bitte kommen Sie.

Oberst julyan tritt auf

OBERST
JULYAN: Guten Abend. Sieht ganz so aus als gäbe es heut noch ein Gewitter, (zu
“Ich”) Ich hoffe, Sie fühlen sich besser, Mrs. de Winter.

ICH:             Ja,
danke Oberst.

MAXIM:        Jack
Favell, der Cousin meiner verstorbenen Frau. Er hat Ihnen etwas mitzuteilen.
Favell. Sie sind dran.

Jack
Favell bewahrt nur mit Mühe die Fassung. Zögernd greifi er in die Jackett-
Tasche und zieht einen gefalteten Brief heraus. Dumpfes Donnergrollen.

JACK
FAVELL: Diese Zeilen hat Rebecca an mich gerichtet, wenige Stunden bevor sie
angeblich auf ihr Boot ging, um sich umzubringen. Leider war ich nicht zu
Hause.

Oberst
Julyan nimmt den Brief und liest ihn laut vor.

OBERST
JULYAN (liest): “Ich bin soeben aus London zurückgekommen und gehe jetzt
ins Bootshaus hinunter, wo ich auf Dich warte. Egal, wie spät es wird, komm
unbedingt. Ich habe Dir etwas sehr wichtiges zu sagen. Rebecca.”

JACK FAVELL: Ich frage Sie, schreibt so eine Frau,
die den Entschluss gefasst hat, Selbstmord zu begehen?

OBERST JULYAN: Haben Sie eine Ahnung, was für eine
wichtige Mitteilung Rebecca de Winter Ihnen machen wollte?

Das
Rauschen und Tosen des näherkommenden Gewitters wird lauter, das Zucken der
Blitze häufiger.

JACK
FAVELL: Ich weiß nur, dass Rebecca nie und nimmer Selbstmord begangen hat. Sie
hatte gar keinen Grund. Es ging ihr blendend, und ich weiß wovon ich rede. Aber
für Mord gibt es ein Motiv. Ein starkes Motiv. Die Eifersucht eines eitlen
Ehemannes. Wenn Sie wissen wollen, wer der Mörder ist – Da steht er mit seiner
gottverdammten Arroganz im Gesicht.

MAXIM:        Favell
hat mich immer gehasst.

OBERST
JULYAN: Sie erheben da eine schwerwiegende Anschuldigung. Haben Sie irgendeinen
Beweis? Einen Zeugen?

JACK FAVELL: Warten Sie! Jack Favell geht ab.

OBERST
JULYAN (ZU Maxim): Er war doch heute Nachmittag bei der Verhandlung im Gericht.
Warum hat er den Brief nicht dem Untersuchungsrichter vorgelegt?

MAXIM:        Er
wollte Geld.

ICH:             Er
wollte uns den Brief verkaufen.

MAXIM:        Einfach
eine saubere Erpressung.

OBERST JULYAN: Erpressung ist nie sauber. Und
selten einfach.

Jack
Favell kehrt mit Ben zurück.

JACK
FAVELL (Zu Oberst Julyan): Bitte sehr, hier haben Sie, was Sie brauchen. Ben
treibt sich Tag und Nacht beim Bootshaus rum. (zu Ben) Du warst unten in der
Mordnacht! Was hast Du gesehen? Raus mit der Sprache!

ICH:             Sie
machen ihm Angst!

BEN:           Ben
nix gemacht. Ben brav.

OBERST JULYAN: Sie erinnern sich doch an die
verstorbene Mrs. de Winter?

BEN:           Bitte
nit ins Heim!

JACK FAVELL: Machs Maul auf!

OBERST JULYAN: Ben, haben Sie etwas ungewöhnliches
beobachtet?

BEN:           Ben
nix gehört. Ben nix gesehn
Sie’s fort.
Sie’s fort jetz’.
Kommt nimmermehr.
Liegt draussen im Meer drunten,
und kann nie mehr zurück.
Versunken, ertrunken!

OBERST JULYAN: Ein großartiger Zeuge! Sie können
gehen.

Ben
geht ab.

JACK FAVELL: Ein Komplott! Hier stecken alle unter
einer Decke!

OBERST
JULYAN: Der Zeuge konnte Ihre Behauptung nicht bestätigen, Favell. Und was das
angebliche Mordmotiv angeht, so gibt der Brief gar nichts her. Sie behaupten,
ein Verhältnis mit Rebecca de Winter gehabt zu haben, aber nicht einmal das
können Sie beweisen.

JACK FAVELL: O doch. Das kann ich. (zu Robert): Robert, Mrs. Danvers
soll in die Bibliothek kommen. Mit Mrs. de Winters Kalender vom letztem Jahr.

FRANK CRAWLEY (ZU Oberst Julyan): Mrs. Danvers ist
lediglich unsere Haushälterin.

JACK FAVELL: Haushälterin? Das ich nicht lache.
Danny war Rebeccas engste Vertraute.

Mrs.
Dan vers tritt auf. Sie hält Rebeccas Kalender in der Hand.

MRS. DANVERS: Sie wünschen, Mr. de Winter.

MAXIM:        Oberst
Julyan möchte Sie zum Tod meiner verstorbenen Frau befragen. Sie waren heute ja
bei der Voruntersuchung.

OBERST JULYAN: Dann wissen Sie ja, wie Rebecca de
Winter ums Leben kam. Wenn sie sich nicht selbst getötet hat, wurde sie
ermordet.

MRS. DANVERS: Sich selbst getötet? Ausgeschlossen.
Mrs. De Winter liebte das Leben. Das einzige, was sie fürchtete, war krank zu
werden. Sie sagte immer zu mir: “Wenn ich sterben muss, Danny, dann muss
es rasch gehen. Bloß kein elendes Dahinsiechen.”

OBERST JULYAN: In welcher Beziehung stand Mr.
Favell zu der verstorbenen Mrs. de Winter?

MRS. DANVERS: Er ist ihr Cousin.

JACK
FAVELL: Komm, stell dich nicht blöd, Danny! Du weißt ganz genau, worauf er
hinaus will. Ich habe dem Oberst schon gesagt, dass Rebecca und ich uns
liebten.

MRS.
DANVERS: Liebe war Spaß für sie. Über so etwas war sie erhaben. Sie verachtete
die Männer.

Inzwischen
hat Oberst fulyan den Kalender aufgeschlagen und liest darin.

OBERST
JULYAN: Am Tag ihres Todes war Rebecca de Winter in London. Friseur um zwölf.
Ein Uhr Lunch im Club. Baker, zwei Uhr dreißig. Wer ist Baker?

MRS. DANVERS: Diesen Namen hat sie nie erwähnt.

OBERST JULYAN: Die Telefonnummer steht dabei. Mr.
Crawley, rufen Sie dort an.

Frank
Crawley geht zum Telefon und lässt sich mit London 687 0488 verbinden.

FRANK
CRAWLEY (ins Telefon, laut): Vermittlung! Verbinden Sie mich mit London 687
0488. Mr. Baker? – Wer? -Ja, mhm. – Ich verstehe. – Danke. (Er hängt auf. Zu
Oberst Julyan) Eine Privatklinik. Dr. Baker hat dort seine Praxis. – Ein
Frauenarzt.

Jack
Favell springt auf.

JACK
FAVELL: Das erklärt alles! Rebecca war schwanger! Ich nehme an, ich hätte an
jenem Abend erfahren, dass ich Vater werde… Der eifersüchtige Gatte muss das
rausbekommen haben… und keiner wusste besser, dass sie von ihm nicht
schwanger sein konnte … Er war ihr zuwider.

OBERST JULYAN: Ich werde morgen nach London fahren
und diesen Dr. Baker aufsuchen.

MAXIM:        Tun
Sie, was Sie für richtig halten.

JACK
FAVELL: Ich komme mit. Ich kann kaum die Schlagzeilen in der Presse erwarten:
“Von Monte nach Manderley. Der Leidensweg einer Mörderbraut!”

MAXIM:        Du
verdammter ….

OBERST JULYAN: Maxim, geben Sie mir Ihr Ehrenwort,
dass Sie Manderley bis zur Klärung dieser Angelegenheit nicht verlassen.

MAXIM:        Warum
zum Teufel sollte ich Manderley verlassen?!

ICH:             Oberst,
ich werde Sie ebenfalls nach London begleiten.

Oberst
Julyan wendet sich zum Gehen. Alle gehen ab. Verwandlung.

 

ZWEITER AKT
Szene 9

London/
Halle von Manderley.
Der Nachmittag des nächsten Tages. Während die Bediensteten von Manderley
fragen, was in London geschieht, sieht man Oberst fulyan, “Ich” und
Jack Favell in der Straße eines Londoner Vororts die Praxis des Dr. Baker
suchen.

BEDIENSTETE GRUPPE 1: Sie fuhr’n um acht.

BEDIENSTETE GRUPPE 2: Dann war’n sie wann in
London?

ROBERT: Um zwölf.

CLARICE: Spätestens halb eins.

BEDIENSTETE GRUPPE 1: Der Arzt heisst wie?

BEDIENSTETE GRUPPE 2: Ich glaube Doktor Baker.

BEDIENSTETE GRUPPE 1: Sie war bei ihm Patientin.

ROBERT: Frauenarzt.

CLARICE:Was weiss er über Sie?

BEDIENSTETE GRUPPE 1: Dieser Verdacht
ist schändlich und verletzend.

ALLE BEDIENSTETEN: Mord!

BEDIENSTETE GRUPPE 2: Es ist unglaublich.

ALLE BEDIENSTETEN: Die Jury hat
das Verfahr’n noch nicht eröffnet.
Noch niemand ist beschuldigt.
Warum dann nur
der scheussliche Verdacht?

MANN: Es ist Oberst Julyans Pflicht.
Er muss den Vorwurf klären.

ZWEI FRAUEN: Doch hinter
alledem
steckt Favell.

ROBERT: Der Kerl gibt keine Ruhe.

ZWEI FRAUEN: Die Ratte wittert Morgenluft.

MANN: Die Wahrheit kommt heraus.
So oder so.

CLARICE: Ist dieser Baker
ein richtiger Arzt?

ROBERT: Ja, und das heisst,
dass er schweigen muss.

BEDIENSTETE GRUPPE 1: Was wird aus uns,
wenn es wirklich ein Mord war?

BEDIENSTETE GRUPPE 2:Was wird aus uns,
wenn man ihn hängt?

Oberst
Julyan, “Ich ” und Jack Favell haben die Wohnung des Dr. Baker
gefunden. Auf ihr Läuten öffnet sich die Tür und sie verschwinden im
Hauseingang. Es wird dunkel.

ALLE BEDIENSTETEN: Was sagt der Arzt?
Was weiss er von der Toten?
Warum kommt denn kein Anruf?
Was ist los?
Wann schrillt das Telefon?

Verwandlung.
Man hört ein Telefon läuten und im Dunkeln verklingen. Als es hell wird, steht
Maxim mit dem Hörer am Ohr in der Halle. Das Gespräch ist schon fast beendet.
Frank Crawley, aus der Bibliothek kommend, bleibt in der offenen Tür stehen.

MAXIM:        … Und er ließ keinen Zweifel an der
Diagnose? — Ja, natürlich. — Nein, ich bin … das habe ich nicht erwartet. –
Gut. Der Spätzug. Ich hol dich ab.

Maxim
hängt den Hörer auf, ganz in Gedanken. Auf der Treppe erscheint Mrs. Danvers.
Frank Crawley und Maxim bemerken oder beachten sie nicht.

FRANK CRAWLEY: Was ist, Maxim? Was hat dieser Dr.
Baker gesagt?

MAXIM:        Keiner
hat sie durchschaut.
Sie hat jeden getäuscht,
sogar den Arzt.
Sie gab den falschen Namen an.
Alle führte sie hinters Licht.
Von Schwangerschaft
keine Spur.
O nein!
Sie war krank.
Sie war krank auf den Tod.

FRANK CRAWLEY: Was fehlte ihr?

MAXIM:        Sie hatte Krebs. Zur Operation war es zu
spät. Der Arzt gab ihr noch sechs Wochen.

FRANK CRAWLEY: Das erklärt den Selbstmord.

MAXIM:        Ja.
Sie wollte sterben und mein Leben zerstören.

 

ZWEITER AKT
Szene 10

Fenster.
Nacht. Man hört das Meer rauschen. Mrs. Danvers tritt aus Rebeccas Zimmer auf
den Balkon und blickt hinaus aufs Meer.

MRS. DANVERS: Ich hör’ dich singen mit dem Meer.
Ich hör’ dich klagen in der Dunkelheit.
Dein Geist ist noch in Manderley,
und keine nimmt dir deinen Platz.
Niemals!
Rebecca,
wo du auch immer bist,
dein Herz bleibt ruhlos
wie die wilde, freie See.
Wenn der Abend beginnt,
singt der Wind:
Rebecca,
komm heim Rebecca!
Aus dem Nebel reich
zurück nach Manderley.

SCHATTEN (gleichzeitig): Rebecca,
wo du auch immer bist,
dein Herz bleibt ruhlos
wie die wilde, freie See.
Wenn der Abend beginnt,
singt der Wind:
Rebecca,
komm heim Rebecca!
Aus dem Nebelreich
zurück nach Manderley.

Verwandlung.

 

ZWEITER AKT
Szene 11

Ein
Bahnhof in Cornwall.
Nacht. Das Geräusch und die Lichter eines einfahrenden Zuges. Rauch. Maxim
tritt auf. Er geht den Zug entlang und sucht nach “Ich”. Ein
schriller Pfiff der Lokomotive und der Zug fährt wieder an. Als der Rauch sich
hebt, steht “Ich ” auf dem leeren Bahnsteig. Außer ihr ist niemand
ausgestiegen.

ICH:             Maxim!

“Ich”
läuft auf Maxim zu. Er umarmt sie. Sie küssen sich.

MAXIM:        Du
warst so stark!

ICH:             Jetzt
ist alles überstanden.

MAXIM:        Sie wollte mich vernichten. Und sie
dachte, es wäre ihr gelungen. Deshalb dieses böse Lächeln.

ICH:             Sie
kann uns nichts mehr antun.

MAXIM:        Ich
stand am Abgrund und sah in die Tiefe.
Mein Herz war Eis und jede Hoffnung tot.

ICH:             Und
ich stand hinter dir und hatte Angst um dich,
weil unsichtbare Schatten dich umgaben.

MAXIM:        Wie
war es mir ergangen ohne dich?

ICH:             Warum
danach fragen?

MAXIM &: ICH: Zeit, zu vergessen.
Zeit, zu erwachen.
Jenseits der Nacht,
jenseits der Angst,
holt kein Schatten uns mehr ein.
Jetzt sind wir frei,
unsre Träume zu leben.
Wir werden glücklich werden,
ich glaub daran.
Ich weiss, was Liebe kann.

ICH:             Fort
mit den grauen Bildern der Erinnerung!
Vor uns liegt so viel bunte Wirklichkeit.

MAXIM:        Fort
mit der unsichtbaren Maske, die ich trug.
Und nicht mehr fragen, was die andern denken.

ICH:             Wir
werden wieder lachend durch den Regen gehn.

MAXIM:        Leben,
endlich leben!

ICH:             Nichts
mehr versäumen.

MAXIM:        Nie
wieder lügen!

MAXIM &: ICH: Jenseits der Nacht
endet die Macht
dunkler Träume, die uns droh’n.
Jetzt sind wir frei
für ein ganz neues Leben.
Wir sehn nach vorn und fangen
noch einmal an.
Ich weiss, was Liebe kann.
Wenn wir auf den Klippen stehen,
werden wir zum Himmel sehen.
“Sieh nur, zwei Möwen im Wind!”
Jenseits der Nacht,
jenseits der Angst,
holt kein Schatten uns mehr ein.
Jetzt geh’n wir zwei
uns’rer Zukunft entgegen.
Und nichts kann uns besiegen,
was es auch sei.
Weil du mich liebst, bin ich frei.

Sie
umarmen und küssen sich. Über den nächtlichen Horizont schimmert ein
unbestimmtes rötliches Leuchten, als würde gleich die Sonne aufgehen.

ICH:   Merkwürdig.
Es ist doch erst zwei Uhr morgens. Es sieht aus, als ginge da drüben schon die
Sonne auf.

MAXIM
(nach einem Moment ungläubigen Staunens): Das ist nicht die Sonne. Das ist
Manderley!

Sie
laufen von der Bühne. Black Out. Das Geräusch eines startenden Motors und eines
rasch davonfahrenden Autos.
Verwandlung.

 

ZWEITER AKT
Szene 12

Manderley
in Flammen.
Man hört im Dunkeln das Knacken und Knistern eines Brandes, das Hin- und Her
aufgeregter Menschen, die Rufe und Geräusche der Löscharbeiten. Die Stimmen der
Menge werden rhythmisch und lauter, während das Licht heller und die Szenerie
erkennbar wiird

STIMMEN DER MENGE: Feuer, Feuer!
Manderley in Flammen!
Hierher alle! Löscht den Brand!
Schnell, wir brauchen Wasser.
Feuer, Feuer!
Manderley in Flammen!
Eimer her, von Hand zu Hand.
Schneller, schneller, schneller.
Feuer, Feuer!
Manderley ist sonst verlor’n!

Gewaltige
Flammen erleuchten gespenstisch den Park und die Auffahrt vor Manderley. Aus
Fenstern und Dachluken schlagen Feuerzungen. Die Menge der Helfer, überwiegend
die aus der Nachtruhe gerissenen Bediensteten, versuchen Gegenstände zu retten
oder zu löschen. Frank Crawley ist bemüht, die Rettungsaktionen zu
organisieren.

FRANK CRAWLEY: Jeder verlässt das Haus! Rettet
Euer Leben!

MENGE (ERSTE GRUPPE): Feuer!

MENGE (ZWEITE GRUPPE): Vorsicht!

MENGE (ERSTE GRUPPE): Feuer!

MENGE (ZWEITE GRUPPE): Bleibt hier!

MENGE (ERSTE GRUPPE): Manderley in Flammen!

MENGE (ZWEITE GRUPPE): Rasch!

MENGE (BEIDE GRUPPEN): WO kein Wasser ist, nehmt
Sand!

MENGE (ERSTE GRUPPE): Hierher mit der Leiter!

MENGE (ZWEITE GRUPPE): LOS!

MENGE (ERSTE GRUPPE): Feuer!

MENGE (ZWEITE GRUPPE): Höher!

MENGE (ERSTE GRUPPE): Feuer!

MENGE (ZWEITE GRUPPE): Weiter!

MENGE (ERSTE GRUPPE): Manderley in Flammen!

MENGE (ZWEITE GRUPPE): Lauft!

MENGE (BEIDE GRUPPEN): Rettet, was ihr tragen
könnt!

MENGE (BEIDE GRUPPEN): Schneller, schneller,
schneller!

MENGE (ZWEITE GRUPPE): Da!

MENGE (ERSTE GRUPPE): Das stolze
Manderley –
Kohle und
Asche …
Welch ein tragischer
Schicksalsschlag!
Wertvolle Möbel
und Bücher
und Bilder:
Alles
verbrennt!
Manderley
ist
verlorn!

MENGE (ZWEITE GRUPPE) (gleichzeitig): Feuer!
Feuer!
Manderley
in Flammen!
Jede Rettung
kommt zu spät!
Alles brichr zusammen!
Feuer!
Feuer!
Manderley
in Flammen!
Feuer! Feuer!
Manderley
brennt
lichterloh!

Man
hört ein Auto ankommen und bremsen. Türen schlagen. Maxim und “Ich ”
treten auf. Frank Crawley läuft ihnen entgegen.

FRANK CRAWLEY: Ich schwöre,
im Haus
war
jedes Feuer
ausgemacht.
Ich sah nur
im Gang
noch
Mrs. Danvers
nach
Mitternacht.
Doch
als ich rief,
hat sie nur
laut gelacht.

MENGE (gleichzeitig): Feuer! Feuer!
Manderley in Flammen!
Wahnsinn!
Wahnsinn!
Feuer! Feuer!
Manderley in Flammen!
Wahnsinn!
Wahnsinn!
Feuer! Feuer!

MAXIM: Bald wird Schutt und Asche sein
Was mir mein stolzer Vater hinterliess
Es war mal mein Zuhaus
Jedoch das Böse nahm besitz davon
So wurde daraus mein Gefängnis
Nein weisst Gott ich wollte nicht
Das Flammen es zerstör’n
Doch mit dem Haus verbrennt die Angst
Von den Dunklen Schatten bleibt nur Rauch…

 

EPILOGE

Runie von Manderley. Nacht.

 

ICH:             Jetzt seh ich
Manderlay nur noch in Traum
Was dort geschah ist lange her
Unser Zuhaus ist ein kleines Hotel
Mit Blick auf das Mittelmeer
Wenn die Flieder blüht und Erinn’rung bringt
Geh’n wir durch den Park zum Strand
Und wir hör’n das Lied
Das die Brandung singt
Und wir schweigen Hand in Hand
Ich hab geträumt von Manderlay
Und der vergang’nen Zeit
Von Sehnsucht Schuld und Dunkelheit
Und von Liebe die befreit
Zwei die sich vertrau’n
Die verzweifeln nicht
Wenn sie vor dem Abgrund steh’n
Weil sie Brücken bau’n
Brücken bau’n aus Licht
Über die sie weitergeh’n
Wir finden Stärke in Gefahr
Und Hoffnung in schwerer Zeit
Ich hab geträumt von Manderlay
Und von Liebe die befreit….

 

 


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