Categories
Articles

Ich hab geträumt von Manderley – Rebecca

PROLOG

Runie
von Manderley. Nacht. Der Zauber des Mondlichts erweckt die zerfallenen Mauern
des vor Jahrzehnten ausgebrannten Herrenhauses Manderley zu spukhaftem Leben.
Die Fenster erscheinen wie einst erleuchtet vorn Glanz der Lüster. Es ist die
unwirkliche Vision eines Traums. Mrs. de Winter, als junge Frau nur
“Ich” genannt, jetzt gereift und in ihren besten Jahren, löst sich
aus den Schatten der Ruinen und kommt langsam nach vorne.

ICH:             Ich
hab geträumt von Manderley…

In dem Rest des alten Gemäuers erwachen
die „Schatten” der Vergangenheit und raunen …

SCHATTEN: Modernde Steine und schwarze Fassaden,
so geisterhaft und unnahbar.
Schatten der Nacht, vor denen wir floh’n,
raunen von dem, was war.

ICH:             Und
der Mond scheint hell,
und der Fliederduft
ist so süss und sehnsuchtsschwer.
Und wie damals liegt
Unheil in der Luft,
doch heut schreckt es mich nicht mehr.
Ich hab geträumt von Manderley
und der vergangenen Zelt,
von Sehnsucht, Schuld und Dunkelheit
und von Liebe, die befreit.

Nach
und nach treten die Schatten aus der Ruine. Indem sie Gestalt gewinnen, werden
die diversen Akteure unserer Geschichte erkennbar.

Und
Rebeccas Geist
schwebte unsichtbar
durch das Haus und kam mir nah
Und da war mir klar,
ich entgeh’ ihr nur,
wenn ich weiss, was hier geschah

ICH & SCHATTEN: Wir finden Stärke in
Gefahr
und Hoffnung in schwerer Zeit.
Ich hab geträumt von Manderley
und von Liebe, die befreit.
wenn ich weiss, was hier geschah.

ICH & SCHATTEN: Wir finden Stärke in
Gefahr
und Hoffnung in schwerer Zeit.
Ich hab geträumt von Manderley
und von Liebe, die befreit.

Die
Schatten ziehen sich zurück und verschwinden im Dunkel. Die Traumvision von
Manderley löst sich auf, während die Szenerie wechselt.

ICH:             Alles
fing in Frankreich an,
damals im April
Neunzehnhundertsechsundzwanzig,
in der Eingangslounge
eines Grand Hotels
in Monte Carlo…

Sie
geht ab. Lichtwechsel.

ERSTER AKT
Szene 1 Hotellobby.

24.
April 1926. Die Eingangshalle eines der besten Hotels der Zwanziger Jahre.
Bequeme Sitzgruppen unter Kronleuchtern zwischen Marmorsäulen und Kübelpalmen.
Dahinter die Hotelrezeption. Seitwärts der Hotellift. Mrs. Van Hopper, eine
kleine korpulente Dame Mitte Fünfzig, sitzt auf einem der Sofas. Ein Kellner
serviert Kaffee. Sie lässt mit einer Lorgnette vor den Augen den Blick suchend
durch die Halle schweifen.

MRS. VAN
HOPPER (zu dem Kellner): Sie kennen doch meine Gesellschafterin. Haben Sie sie
gesehen?

KELLNER: Nein, bedaure Madame.

Die
Tür des Hotellifts öffnet sich. “Ich” tritt auf Sie ist jetzt
wesentlich jünger als in der ersten Szene, eine schüchterne und unsicher
aufiretende Frau Anfang zwanzig. Sie hält eine Illustrierte in der Hand.

MRS. VAN HOPPER: Da bist du ja endlich! Wo um
Himmels Willen warst du so lang?

ICH:             Ich
musste noch die Modezeitschrift holen…

MRS. VAN HOPPER: Warum denn das?

ICH:             Sie
wollten sie lesen, Mrs. Van Hopper.

MRS. VAN HOPPER: Ich bezahle für Deine
Gesellschaft, mein Kind,
und ich hass es zu warten.

ICH:             Sorry,
Mrs. Van Hopper.

MRS. VAN HOPPER: Keine Sahne! – Dieser Kellner
ist ein Vollidiot.

ICH:             Ich
ruf ihn, Mrs. Van Hopper.

“Ich”
hebt die Hand, um den Kellner zu rufen.

                   Bitte,
Monsieur.

MRS. VAN HOPPER: Nenn ihn nicht Monsieur!
Und bitte ihn nicht.

ICH (lächelnd): Bittesehr, etwas Sahne.

MRS. VAN HOPPER: Mein Gott!
In Fünf-Sterne-Hotels
schenkt der zahlende Gast
dem Kellner kein Lächeln.

ICH:             Sorry,
Mrs. Van Hopper.

MRS. VAN HOPPER: Statt Bitte zu sagen,
das merk dir, mein Kind,
gibt man hier Befehle.
Der Kellner bringt das Sahnekännchen.

ICH:             Ja,
Mrs. Van Hopper.

MRS. VAN HOPPER: Verwahrlost und elternlos
kamst du zu mir.
Ich nahm dich aus Mitleid.

ICH:             Das
weiss ich, Mrs. Van Hopper.

MRS. VAN HOPPER: Zum Dank muss ich mich täglich
für dich genier’n,
und mehr und mehr wird mir klar:

Mrs.
Van Hopper giesst etwas Sahne in ihren Kaffee und steckt dann ihre
halbgerauchte Zigarette in das Sahnekännchen.

Du
wirst niemals eine Lady,
weil dir jede Klasse fehlt.
Du wirst immer eine kleine,
unscheinbare,
scheue graue Maus sein.
So sehr ich mich auch quäle,
ganz egal, was ich erzähle.
Dir fehlt, worauf es ankommt.
Nein, du wirst niemals
eine Lady sein.

“Ich”
hört nicht wirklich zu, denn sie beobachtet den Auftritt eines eleganten Herrn
Anfang vierzig. George Fortescue Maximilian de Winter (Maxim) spricht mit dem
Rezeptionisten und geht zum Aufzug.

Hörst
du mir zu? Was gibt’s zu glotzen?
In Fünf-Sterne-Hotels,
das merk dir, mein Kind,
begafft man nicht Fremde.

ICH:             Sorry,
Mrs. Van Hopper.

Mrs.
Van Hopper greift nach ihrer Lorgnette und betrachtet Maxim de Winter.

MRS. VAN HOPPER: Oh! Hallo! Na, so was!
Das ist ja Mr. de Winter.

ICH:             Ein
Bekannter von Ihnen?

MRS. VAN HOPPER: Liest du keine Illustrierten?

ICH:             Ich
lese lieber Bücher, Mrs. Van Hopper.

MRS. VAN HOPPER: In feiner Gesellschaft
muss man wissen, mein Kind,
wer begehrt und verehrt wird.

Auf
dem Weg zum Ausgang durchquert Maxim die Halle. Mrs. Van Hopper hebt den Arm
und winkt ihm zu.

                   Mr. de Winter! Hallo! Hier!

Maxim
bleibt stehen, unsicher, woher ihn diese Frau kennt.

MAXIM:        Guten
Abend.

MRS. VAN HOPPER: Erinnern Sie sich? Edith Van Hopper. Park Avenue, New York! Setzen Sie sich doch, {zu “Ich’) Sag dem
Kellner, er soll noch eine Tasse bringen. Mr. de Winter wird seinen Kaffee mit
uns einnehmen.

Er
winkt dem Kellner und setzt sich.

MAXIM:        Ich muss Ihnen leider widersprechen. Sie
beide werden ihren Kaffee mit mir einnehmen.

MRS. VAN
HOPPER: Ich habe Sie sofort erkannt, Mr. De Winter. Was für eine angenehme
Überraschung. Ich dachte Sie sind um diese Zeit in Manderley, Ihrem
verwunschenen Schloss in Cornwall.

MAXIM:        Manderley
ist schön, aber nicht so sonnig.

Maxim
mustert “Ich”, die vergebens vorgibt, sein Interesse nicht zu
bemerken. Für einen langen Moment treffen sich ihre Blicke.

MRS. VAN
HOPPER: Ja, das Wetter ist gut in Monte. Allerdings ist momentan wenig los
hier. Ich langweile mich grässlich. Aber jetzt habe ich ja Sie getroffen.
Gemeinsam werden wir das Beste daraus machen.

MAXIM (ZU “Ich”): Und wie gefällt Ihnen
Monte Carlo?

ICH:             Na
ja, ich … ich finde es irgendwie … unwirklich …

MRS. VAN
HOPPER: Sie ist verwöhnt, Mr. de Winter. Die meisten Mädchen in ihrem Alter
würden ihr Augenlicht dafür geben, einmal Monte zu sehen.

MAXIM:        Ich
denke, das wäre der Sache nicht sehr dienlich.

MRS. VAN HOPPER: Hat Ihr Butler schon Ihre Sachen
ausgepackt?

MAXIM:        Ich
habe keinen Butler. Vielleicht macht es Ihnen Spaß, mir zu helfen.

MRS. VAN HOPPER: Ich? Sie scherzen. (Wendet sich an “Ich”)
Vielleicht solltest du Mr. de Winter zur Hand gehen.
Kofferauspacken kannst du ja.

MAXIM:        Ein charmantes Angebot, aber mein Motto
heißt:
Selbst ist der Mann. Es war mir ein Vergnügen, meine Damen.

Maxim
geht ab.

MRS. VAN
HOPPER: Sehr abrupt, dieser Abgang. Ich fürchte, mein Kind, du hast ihn
vertrieben.

ICH:             Ich?

MRS. VAN
HOPPER: Deine vorlaute Antwort war sehr peinlich, mein Kind. Du hast ihn
verärgert.

ICH:             Das
war nicht meine Absicht.

MRS. VAN HOPPER: DU hast die Unterhaltung
auf dich gelenkt;
und mich und dich blamiert.

ICH (ganz in Gedanken): Ich traf noch keinen
Mann wie ihn,
so seltsam, so geheimnisvoll.
Ich hoff, ich seh ihn wieder.

MRS. VAN HOPPER: Du hast nicht sein Niveau, mein
Kind!
Du wirst niemals eine Lady,
weil dir jede Klasse fehlt.
Du wirst immer eine kleine,
unscheinbare,
scheue graue Maus sein.
So sehr ich mich auch plage,
es ist sinnlos, was ich sage.
Es fehlt dir die Nonchalance, Darling!
Die Contenance und Elegance!
Nicht die geringste Chance, Darling!
Aus dir wird keine Lady,
das steht fest!

Und jetzt
komm! Mir geht’s miserabel. Ich glaube, ich krieg’ eine Grippe. Ich werde
morgen im Bett bleiben.

Sie
gehen ab in Richtung Aufzug, während es dunkel wird und die Szene sich
verwandelt.

 

ERSTER AKT
Szene 2a Hotelterrasse.

Am
nächsten Morgen. Die reguläre Frühstückszeit ist schon vorüber. Die Gäste
sitzen unter einer Markise auf der sonnenbeschienenen Hotelterrasse an Bistrotischen,
genießen die Aussicht und tauschen den neuesten Klatsch aus. An einem der
Tische, ganz vorn an der Rampe, sitzt Maxim und liest eine englische Zeitung.

GAST 1: Ist das nicht …

GÄSTE: Bitte wo?

GAST 1: Max de Winter.
An dem Tisch da vorn.

GAST 2: De Winter?

GAST 3: Stimmt.

GAST 1: In der Tat.

GAST 4: Zweifellos.

GÄSTE: Bitte wer?

GAST 5: Stinkreicher Adelsspross.
Er lebt in einem Schloss.

GAST 3: Manderley.

GAST 1: Armer Kerl.

GÄSTE: Bitte wie?

GAST 3: Es ist tragisch.

GAST 6: Ja, ich las davon.

GAST 4: Er kam im Rolls Royce
wie letztes Jahr.

GAST 3: Wirklich schlimm.

GÄSTE: Bitte was?

GAST 2: Wovon reden Sie?

GAST 3: Es stand in jeder Zeitung.

Gäste: Was?

GAST 1: Er verlor unerwartet
seine Frau

GÄSTE 1 BIS 6: Rebecca.

GÄSTE 1, 4, 5: Welch ein Schlag!

GÄSTE 1 BIS 6: Jeder sah,
der Mann vergötterte
Rebecca.

Maxim
lässt die Zeitung sinken. Die Gäste verstummen. “Ich” tritt auf. Der
Oberkellner führt sie zu dem freien Tisch neben dem Tisch von Maxim de Winter.

OBERKELLNER: Wie geht es Mrs. Van Hopper?

ICH:             Sie
hat Halsschmerzen. Die übliche Grippe, denke ich.

OBERKELLNER: Bitte sehr, Mademoiselle.

“Ich
” ist im Begriffsich hinzusetzen, als sie Maxim am Nebentisch entdeckt.
Sie dreht sich abrupt um und schüttet dabei ungeschickterweise die kleine
Blumenvase um, die auf dem Tisch steht. Erschrocken stellt sie die Vase wieder
auf und wischt mit ihrer Serviette das Wasser weg. Sowohl der Oberkellner als
auch Maxim haben das Missgeschick beobachtet. Ein Hilfskellner kommt gelaufen.
Maxim winkt den Oberkellner herbei…

MAXIM:        Lassen Sie das, und legen Sie hier noch
ein Gedeck auf. Mademoiselle wird mit mir frühstücken.

ICH:             Nein,
nein. Das geht doch nicht.

MAXIM:        Wollen
Sie vor einem nassen Tischtuch sitzen?

ICH:             ES
macht mir nichts aus. Wirklich nicht.

MAXIM:        Dummes Zeug. Kommen Sie. Ich wollte Sie
ohnehin bitten, sich zu mir zu setzen.

ICH:             Das
ist… sehr freundlich von Ihnen.

Sie
nimmt an seinem Tisch Platz. Verlegenes Schweigen. Ein Kellner serviert Kaffee
und Croissants.

MAXIM:        Sie
müssen mir verzeihen. Ich war ziemlich unhöflich gestern Abend.

ICH:             Das
fand ich nicht. Mir schien eher, dass Mrs. Van Hopper …

MAXIM:        Ihre
Freundin?

ICH:   Ich bin angestellt bei ihr. Als Gesellschafterin. Dafür zahlt sie
mir neunzig Pfund im Jahr.

MAXIM:        Ich
wusste nicht, dass man Gesellschaft kaufen kann.

ICH:             Was
soll ich tun? Ich brauche das Geld.

MAXIM:        Haben
Sie denn keine Verwandten?

ICH:             Nein.
Sie sind alle gestorben.

MAXIM:        Waren Sie hier schon mal in den Bergen?
Man hat von dort eine fantastische Aussicht.

ICH:             Nein.
Mrs. Van Hopper geht keinen Schritt aus dem Hotel.

Maxim
steht auf.

MAXIM:        Dann
vergessen wir doch das hier. Wir können ja irgendwo einkehren.

ICH:             Ja,
aber ich kann doch nicht einfach …

MAXIM:        Ach, was! Holen Sie sich was zum
Überziehen. Ich lasse inzwischen den Wagen vorfahren.

Maxim
und “Ich” gehen in verschiedene Richtungen ab. Die Gäste stecken die
Köpfe zusammen.

GAST 2: Kann das sein?

GÄSTE: Geht das an?

GAST 2: Ist er freundlich
oder flirtet er?

GAST 1: Das ist doch nicht
sein Niveau.

GAST 6: Vielleicht doch.

GÄSTE: Interessant.

GAST 4: Hab ich richtig gehört?

GAST 3: Er macht heut einen Ausflug mit ihr.

GAST 5: Warum nicht?

GÄSTE: Allerhand!

GAST 2: Kaum zu glauben.

GAST 1: Ist der Mann denn blind?
Sie ist noch ein Kind.

GAST 2: Ein Domestik.

GAST 5: Er sucht Trost.

GÄSTE: Degoutant!

GAST 6: Es gehört sich nicht.

GAST 3: Ich glaub nicht, dass er etwas
von ihr will.

ALLE: Er verlor doch erst kürzlich
seine Frau
Rebecca.
Welch ein Schlag!
Es ist klar,
dass er noch trauert um
Rebecca.

Die
Gäste erstarren und werden zur Silhouette. An anderer Stelle der Bühne fällt
das Licht auf eine vignette-artige Szene mit Maxim und “Ich “.

 

ERSTER AKT

Szene 2b Klippe.

Beide
stehen am Rand einer Klippe hoch über dem Meer. Maxim blickt wie gebannt in den
Abgrund. “Ich ” geniesst den Moment, bis sie bemerkt, dass der Mann
neben ihr wie hypnotisiert angezogen zu sein scheint von der Gefahr des
Absturzes.

ICH:             Wirklich,
die Aussicht ist atemberaubend.
Der Sonnenglanz, das blaue Meer.
Die weissen Punkte dort — Segel im Wind!
Möwen tief unter mir.

Mr. de Winter? Was ist
mit Ihnen? Der Wind ist kalt. Ich warte im Wagen auf Sie.

Als
sie gehen will, erwacht Maxim aus seiner Erstarrung. Er hält sie zurück, zieht
sein Jackett aus und legt es ihr über die Schultern.

MAXIM:        Verzeihn
Sie mir. Eine dunkle Erinnerung…

ICH:             Sie
sind sehr unglücklich, Mr. de Winter. Er blickt ihr in die Augen und streicht
ihr sanft übers Haar.

MAXIM:        Nennen
Sie mich Maxim. So nennen mich alle meine Freunde.

GÄSTE: Er verlor unerwartet
seine Frau
Rebecca.
Welch ein Schlag!
Jeder sah:
Der Mann vergötterte
Rebecca.

In
einer weiteren Vignette sitzt “Ich ” mit einem Zeichenblock auf einem
Felsen. Sie skizziert ein Bauernhaus. Maxim sieht ihr über die Schulter.

MAXIM:        Sie
zeichnen wirklich gut. Sie haben Talent.

ICH:             Das
habe ich von meinem Vater.

MAXIM:        Er
war Künstler?

ICH:             O
ja. Maler. Seiner Zeit weit voraus.

MAXIM:        Er
fehlt Ihnen wohl sehr?

ICH:             Mein
Vater war ein wunderbarer Mensch.

MAXIM:        Mir scheint, wir beide haben etwas
gemeinsam, Sie und ich. Wir stehen beide allein in der Welt.

ICH:             Da.
Das Bild ist fertig

MAXIM:        Für
mich?

ICH:   Als kleines Dankeschön. Für jede Stunde mit Ihnen. Durch Sie hab
ich erfahren wie schön ein Augenblick sein kann. Ich möchte die Tage
aufbewahren, verschliessen in einem Flakon. Wie ein kostbares Parfüm …

Er
küsst sie. Die Szene verschwindet. In einem Lichtspot steht Mrs. Van Hopper vor
“Ich”.

MRS. VAN HOPPER: Wir reisen morgen ab. Ich muss
wieder nach New York. Das alte Europa macht mich krank.

ICH:             Schon
morgen? MRS.

VAN
HOPPER: Ich werd’ nicht schlau aus dir, Kind. Ich dachte, du machst dir nichts
aus Monte Carlo.

ICH:             Ich
hab mich dran gewöhnt.

MRS. VAN HOPPER: Worauf wartest du? Fang an zu packen.

Mrs.
Van Hopper geht ab.

 

ERSTER AKT
Szene 3a
Mrs. Van Hoppers Suite.

Im
Vorzimmer der Suite stapeln sich die gepackten Koffer und Reisetaschen. Alles
ist fertig zur Abreise. “Ich ” blickt nervös auf die Uhr, nimmt zum
wiederholten Mal den Hörer des Telefons ab und wählt.

ICH:   Hallo
… Rezeption? Verbinden Sie mich mit Mr. de Winters Zimmer. (Pause) Sind Sie
sicher ? (Pause) Nein, danke.
Merci beaucoup, Monsieur.

Sie
hängt auf.

Lieber
Gott! Ich möchte ihn noch einmal sehen. Sie kämpft mit den Tränen.

Nein,
ich weine nicht.
Statt mich selber zu bedauern,
möchte ich dankbar sein
für das, was war.
Mir bleibt ja die
Erinnerung …
Etwa an den Tag
über der Küste.
Du sahst wie gebannt
hinab aufs Meer.
Weil mir kalt und schwindlig war,
wollte ich zurück zum Wagen gehn.
Da hielt deine Hand mich fest.
Du hast mich angesehn
und sanft mein Haar berührt.
Ich wünsch mir, ich würde wissen,
wie Erinnerung lebendig bleibt,
wie man den Augenblick,
in dem das Schweigen sang,
vor dem Vergehn bewahrt.
Ich wollte, ich wüsst’,
wie man Zeit in eine Flasche füllt.
Dann müsst’ ich sie nur öffnen, und schon
war alles wieder so wie es war.
Ich sah ins Blau
mit dem Fahrtwind in den Haaren
und hab mir ausgemalt,
wie schön es war,
könnt’ ich dir geben,
was dir fehlt …
Und du hast wohl geahnt,
woran ich denke.
Du hast gesagt:
“Ich mag dich wie du bist.”
Barfuss gingen wir am Strand,
Sonnenstrahlen tanzten auf dem Meer,
und du hast mich angesehn,
als ob du Hilfe brauchst.
Dann hast du mich geküsst.
Ich wünsch mir, ich würde wissen,
wie man festhält, was nicht greifbar ist –
den Zauber eines Blicks,
die Wahrheit eines Traums,
das Wunder des Verstehns.
Denn würde ich wissen,
wie man Glück in eine Flasche füllt,
müsst ich sie nur öffnen, und schon
war jeder Moment wieder wahr.
Mir war ja von Anfang klar,
dass es nicht dauern kann.
Und doch gibt es
nichts zu bereuen.
Jedes Bild, jedes Wort
lebt in mir fort.

Maxim
tritt auf. Sie bemerkt nicht, dass er ins Zimmer getreten ist. An der Tür
stehend hört er ihr zu.

Ich
wünsch mir, ich würde wissen,
wie Erinnerung lebendig bleibt,
wie man den Augenblick,
in dem die Sehnsucht starb,
vor dem Vergehn bewahrt.
Und dass ich dich verlier,
fiele mir
nicht ganz so schwer,
bliebe mir
die Zeit in einer Flasche.
Die Zeit, die ich hatte
mit dir.

MAXIM:        Lass
die Flasche lieber zu, manchmal steckt ein Dämon drin.

ICH:             Oh,
Maxim. Wie gut, dich noch einmal zu sehen.

MAXIM:        Was
soll das denn heißen?

ICH:             Mrs.
Van Hopper will abreisen. Wir fahren nach New York.

MAXIM:        Und
du begleitest sie?

ICH:   Ich muss. Du weißt ja, ich bin ihre Angestellte. Ich kann es mir
nicht leisten, wählerisch zu sein.

MAXIM:        Na gut, Mrs. Van Hopper will also wieder
heim. Ich auch. Sie fährt nach New York, und ich nach Manderley. Wo möchtest du
hin? Du kannst wählen.

ICH:             Bitte,
Maxim! Lass die Scherze. Mach es mir nicht noch schwerer.

MAXIM:        Vor dem Frühstück mache ich nie Scherze.
Entscheide dich. New York oder Manderley.

ICH:             Soll
das heißen, du bietest mir eine Stellung an … als Sekretärin oder so?

MAXIM:        Nein,
kleiner Dummkopf. Ich frag dich, ob du mich heiraten willst.

ICH:             DU
fragst … was?

MAXIM:        Ich
will, dass du meine Frau wirst. Was hältst du davon?

ICH:             Ich
… Ich weiß nicht. Ich gehör doch nicht in deine Welt.

MAXIM:        Also
nein. Und ich dachte, du liebst mich.

ICH:             Aber
das tu ich ja. Ich liebe dich. Mehr als alles auf der Welt.

Sie
wirft sich in Maxims Arme. Er küsst sie.

MAXIM:        Manderley
wird dir gefallen. Mrs. Van Hopper tritt auf; sie ist reisefertig.

MRS. VAN HOPPER: Bist du soweit? Wir müssen noch
die … Sie sieht Maxim.
Ooooh, Mr. de
Winter!
Was für eine
unerwartete Freude! Sie wollen mir Adieu sagen? Wie nett von Ihnen.

MAXIM:        Mhm … um ehrlich zu sein, wollte ich
Ihnen nur mitteilen … Ihre Gesellschafterin wird Sie nicht nach New York
begleiten können.

MRS. VAN HOPPER: Wieso das?

MAXIM:        Wir
heiraten.

Mrs. Van Hopper: Wie bitte … ?

MAXIM:        Ich wünsche Ihnen eine gute Reise, Mrs.
Van Hopper. Grüßen Sie New York von uns. Ich lasse inzwischen dein Gepäck auf
meine Suite bringen.

Bevor
sich Mrs. Van Hopper von dem Schock erholen kann, geht Maxim ab. Mrs. Van
Hopper atmet tief ein und mustert “Ich ” mit einem prüfenden Blick.

MRS. VAN
HOPPER: Offenbar hab ich dich unterschätzt. Weiß Gott, stille Wasser sind tief.
Tennisstunden, das ich nicht lache! Du hast mich hintergangen.

ICH:             Dass
Sie das denken, Mrs. Van Hopper, tut mir leid.

MRS. VAN
HOPPER: DU solltest dir selbst leid tun. Was glaubst du denn, was dich dazu
befähigt, Herrin von Manderley zu werden?

ICH:             Ich
liebe ihn.

MRS. VAN
HOPPER: Rebecca de Winter war eine Dame von Welt. Von ihren Gesellschaften
sprach ganz England.

ICH:             Ich
werde ihn nicht enttäuschen.

MRS. VAN HOPPER: Mach dich nicht lächerlich! Lady de Winter, ha!

Mit
einem abschätzigen Lächeln verabschiedet sich Mrs. Van Hopper, dreht sich um
und geht ab, während an anderer Stelle Maxim erscheint. Er hält ein
Hochzeitsbukett in der Hand.

 

ERSTER AKT
Szene 3b

Italien.

Instrumentalmusik. Maxim wirft
“Ich” den Strauß zu. Sie fängt ihn auf. Provencalische Landbewohner.
Tanz. Ein Standesbeamter traut die beiden. Kinder streuen Rosenblätter. Szenen
einer unbeschwerten Hochzeitsreise. Lachen, Umarmungen, Küsse. Ein Gondoliere
verbeugt sich und führt die beiden von der Bühne, während sich die Szene
verwandelt.

 

ERSTER AKT Szene 4
Halle von Manderley.

Sieben
Wochen später. Die Angestellten des Herrenhauses bereiten die Ankunfi der
Herrschaft vor. Bedienstete putzen, polieren, bringen Vasen, arrangieren
Blumen, etc. Mrs. Danvers, die hagere, schwarzgekleidete Haushälterin,
beaufsichtigt die Arbeiten mit militärischer Strenge.

BEDIENSTETE: Wiener und wisch
Tisch für Tisch,
Schrank um Schrank.
Das Holz muss glänzen!
Putz und polier
da und hier
Stück für Stück.
Heut’ kommen sie zurück.
Fein und rein
soll es sein
für den Herrn von Manderley
und die vollkommen neue
Mrs. de Winter.
Gleich wird man sehn,
was und wen
unser Herr
aus Frankreich mitbringt.
Wir glaubten schon,
dass er immer Witwer bleibt,
aber wir
kriegen hier
eine neue
Mrs. de Winter.

Das
Licht lenkt die Aufmerksamkeit auf Mrs. Danvers, die mit sich selbst spricht.
MRS. DANVERS: Selbst wenn sie eine Fürstin war,

was
will sie hier in Manderley?
Für mich gibt es auf dieser Welt
nur eine Mrs. de Winter!

Liebevoll
wischt sie den Staub vom Rahmen eines großformatigen Portraits von Rebecca, das
in der Halle hängt.

Denn
ruht dein Körper auch im Grab,
dein Geist ist noch in Manderley.
Und keine nimmt dir deinen Platz.
Niemals!

Frank
Crawley, der Gutsverwalter von Manderley, tritt auf.

FRANK CRAWLEY (Zu Mrs. Danvers): Sie kommen an
irgendwann
zwischen fünf
und sechs vermutlich.

MRS. DANVERS: Dinner um Acht?

FRANK CRAWLEY: Das ist zu spät.

MRS. DANVERS: Früher geht es nicht

FRANK CRAWLEY (ZU Robert, dem Kammerdiener):
Das Appartement?

ROBERT: Blumen stehn.
Lüster strahl’n.
Im Kamin das Feuer brennt.

BEDIENSTETE: Für die neue
Mrs. de Winter!
Wie wird sie sein?
Kühl und fein
oder hart und überheblich?
Mischt sie sich ein,
oder hält sie sich zurück?
Sicher ist
nur, sie wird
uns’re neue
Mrs. de Winter.
Früh, ein älterer Butler, tritt auf

FRITH: Potter rief an.
Sie passierten das Tor
im Cabrio,
grad als es anfing zu regnen.

Robert
kommt mit einem Regenschirm, den er Frank Crawley gibt. Frith und Frank Crawley
gehen ab, um Mr. und Mrs. de Winter in der Einfahrt zu empfangen.

CLARICE, ein Dienstmädchen: Ankunft bei Regen!
Das bringt sicher Unglück!

Mrs.
Danvers blickt in kühler Erwartung zur halboffenen Eingangstür, ein Teil der
Bediensteten schaut durchs Fenster zur Auffahrt.

BEDIENSTETE AM FENSTER: Jetzt kommt der Wagen
heraus aus dem Wald.
Das Verdeck ist noch offen,
obwohl es doch regnet!

MRS. DANVERS (ZU den Bediensteten): Angetreten
zum Empfang
in Reih und Glied!

Die
Bediensteten treten in langer Reihe an. Von draußen hört man den Wagen auf der
gekiesten Einfahrt halten. Der Motor stirbt. Das Rauschen des Regens. Gedämpfte
Stimmen “Guten Abend, Frith. “— “Willkommen, Mr. de Winter.
“Die Wagentüren schlagen zu, Schritte auf der Treppe zum Eingang.
“Ich” und Maxim treten auf gefolgt von Frith. “Ich ” ist
vollkommen durchnässt, das nasse Haar klebt ihr im Gesicht.

MAXIM (leise): Ach, du lieber Himmel, Frith! Die
ganze Belegschaft!

FRITH: Anweisung von Mrs. Danvers, Sir.

MAXIM (ZU
“Ich”): Keine Sorge. Dauert nicht lang. Frank Crawley kommt auf Mr.
und Mrs. de Winter zu.

FRANK CRAWLEY: Willkommen, Maxim.

MAXIM:        Frank! Das ist Frank Crawley. Der
Verwalter von Manderley, und mein bester Freund.

FRANK
CRAWLEY: Guten Abend, Mrs. de Winter. Wenn Sie Fragen haben, wenden Sie sich an
mich.

“Ich”
reicht Frank Crawley die Hand. Währenddessen wendet sich Maxim den angetretenen
Bediensteten zu.

ICH:             Freut
mich, Mr. Crawley … Frank.

MAXIM:        Guten Abend. (Pause.) Sie sind neu,
nicht wahr?
(Pause.) Ah, Mrs. Rutherford, wie geht es Ihnen?

MRS. RUTHERPORD: Danke, gut Sir. Schön dass Sie
wieder da sind.

MAXIM:        Das
ist meine Frau, Mrs. de Winter. Schön, Sie alle wiederzusehen.

ROBERT:
Willkommen zuhause, Mr. de Winter.

MAXIM (ZU
“Ich”): Danke Robert. Das ist unsere Haushälterin, Mrs. Danvers.

MRS.
DANVERS (mustert “Ich”): Ich werde Clarice bitten, Ihnen zur Hand zu
gehen, solange Ihr Mädchen noch nicht da ist.

ICH:   Ich … ich habe kein Mädchen.

MRS. DANVERS: SO?

MAXIM:        Mrs.
de Winter ist müde. Ist ihr Zimmer hergerichtet?

MRS. DANVERS: Jawohl, Mr. de Winter. Wie von Ihnen gewünscht. Die Gästesuite im
Ostflügel wurde renoviert. Die Räume über dem Rosengarten. Jeweils ein Schlaf-
und Ankleidezimmer für Sie und die gnädige Frau.

MAXIM:        Nun,
dann führen Sie sie hinauf. Wir sehn uns beim Abendessen, Darling.

MRS. DANVERS: Madam.

Mrs.
Danvers, das Dienstmädchen Clarice und “Ich”gehen nach links, Maxim, Frank
Crawley und Frith gehen nach rechts ab. Die Bediensteten stecken die Köpfe
zusammen.

GRUPPE 1: Sehr interessant.
Allerhand.
Wer von uns hätt’
das erwartet?
So haben wir uns die Frau
nicht vorgestellt.
Doch gleich wie,
jetzt ist sie uns’re neue
Mrs. de Winter.”
Man muss sie nehmen
wie sie ist!
Denn in ihr
haben wir hier
uns’re neue …

GRUPPE 2 (gleichzeitig): Sie ist leis,
doch wer weiss,
vielleicht ist
sie nur sehr müde.
Sie lebt sich
sicherlich
sehr schnell ein.
Jedenfalls
ist sie jetzt
unsere neue
Mrs. de Winter,
und wir sind da,
um ihr zu dienen.
Denn sie ist
Uns’re …

BEDIENSTETE: Mrs. de Winter!!!

Black
Out. Verwandlung.

ERSTER AKT
Szene 5

Morgenzimmer.
Ein sehr weibliches Zimmer. Jedes Möbelstück ist mit Bedacht gewählt und die
Harmonie der Farben lässt einen sicheren Geschmack erkennen. An prominenter
Stelle steht ein weißer Sekretär. Auf der Bank vor dem großen Fenster zum Park
sind zahlreiche Blumentöpfe mit blühenden und blütenlosen Orchideen aufgereiht,
die Mrs. Dan vers pflegt und gießt.

MRS. DANVERS:
Orchideen sind ganz
besondre Blumen.
Manchmal sehn sie aus,
als wären sie tot.
Aber irgendwann,
ganz unerwartet,
blühn sie wieder weiss
und dunkelrot.
Sie starb, sagt man
und glaubt daran.
Doch ich weiss es besser.
Sie ergibt sich nicht.
Man besiegt sie nicht.
Sie ist stark, der Macht des Todes
unterliegt sie nicht.
Nein, man sieht sie nicht!
Doch ich spür,
sie ist hier und lebt noch.
Sie hört uns. Sie sieht uns.
Sie ergibt sich nicht.
Orchideen warn ihre
Lieblingsblumen,
rätselhaft wie sie
und fremdartig schön.
Und auch die verblühten
und verdorrten
Hess sie immer hier
am Fenster stehn.
Sie starb, sagt man
und läge im Grab.
Doch ich weiss es besser.
Sie ergibt sich nicht.
Man besiegt sie nicht.
Sie ist stark,
der Macht des Todes
unterliegt sie nicht.
Nein, man sieht sie nicht!
Doch ich spür’,
sie ist hier
und lebt noch.
Sie hört uns.
Sie sieht uns.
Sie klagt und spricht mit mir.
Kein Mann dieser Welt war ihr je genug.
Sie war stolz und frei,
sie war selbstbewusst und klug.
Kein Mann konnte für sie je wichtig sein.
Diese Art von Liebe
gab ihr nichts.
Sie ergibt sich nicht.
Man besiegt sie nicht.
Sie ist stark,
der Macht des Todes
unterliegt sie nicht.
Nein, man sieht sie nicht!
Doch ich spür,
sie ist hier
und lebt noch.
Sie hört uns.
Sie sieht uns.
Sie ergibt sich nicht.
Man besiegt sie nicht.
Sie ergibt sich nicht.
Sie ergibt sich nicht.

“Ich
” hat das Zimmer betreten. Mrs. Danvers bemerkt sie. MRS. DANVERS: Kann
ich etwas für Sie tun?

ICH:   Nein, danke. Mein Mann ist sehr beschäftigt, deshalb schau’ ich
mich allein ein wenig um, damit ich die Räume einigermaßen kennenlerne.

Mrs. Danvers stellt die Gießkanne ab.

MRS.
DANVERS: Das ist das Morgenzimmer. Hier hat Mrs. de Winter nach dem Frühstück
ihre Korrespondenz und ihre Telefonate erledigt. Das ist ihr Sekretär. Das
Gästebuch. Ihr Briefpapier. Und in der Schublade hier – ihr Telefonbuch, ihre
Visitenkarten und ihr Kalender.

Ich (liest):
Rebecca de Winter.

MRS.
DANVERS: Das ist ihr Amor. Der Gott der Liebe. Mrs. de Winter mochte die kleine
Skulptur sehr gern.

ICH:   Sie sind wohl schon sehr lange auf Manderley.

MRS. DANVERS: Ich kam mit Mrs. de Winter hierher,
als sie heiratete. Ich war immer für sie da. Seit ihrer Kindheit.

ICH:   Die
Vorbereitung meiner Ankunft hat Ihnen sicher viel Arbeit gemacht.

MRS. DANVERS: Ich habe lediglich Mr. de Winters
Anweisungen ausgeführt.

ICH:   Ich hoffe, wir werden Freunde und was den Haushalt angeht, so
überlasse ich alles Ihnen. Machen Sie alles wie bisher.

MRS. DANVERS: Wie Sie wünschen, Madam. Falls Sie
noch etwas brauchen, das ist das Haustelefon. Ich nehme an, Sie wollen jetzt
Ihre Briefe schreiben.

ICH:   Meine
Briefe?

Mrs. Danvers geht zur Tür, doch sie wendet sich
noch einmal um.

“Ich”
setzt sich an den Sekretär. Sie nimmt den Amor in die Hand, um ihn zu
betrachten. Als sie Stimmen im Gang hört, lässt sie die Porzellanfigur fallen.

BEATRICE (hinter der Bühne): Ist mein Bruder nicht
da?

ICH:             O
nein!

Hastig
sammelt sie die Scherben auf. Dann sucht sie nach einem Versteck dafür. Man
hört Schritte und Stimmen in der Halle.

MRS. DANVERS (hinter der Bühne): Er ist im Büro
von Mr. Crawley, Madam.

BEATRICE (hinter der Bühne): Und meine neue
Schwägerin?

GlLES (hinter der Bühne): Ja, die woll’n wir sehn!

MRS. DANVERS (hinter der Bühne): Im Morgenzimmer,
Madam.

Am
Boden kniend hört “Ich” die Schritte der Besucher näher kommen. In
panischer Hast verstaut sie die Scherben in der Schublade. Betarice und Giles
treten auf. Da “Ich ” immer noch hinter dem Sekretär kauert, sehen
die beiden sie nicht.

BEATRICE: Hallo …!?

GILES:         Eine
Madame aus Frankreich. Oh lala!

BEATRICE: Sie kommt aus Yorkshire, Giles.

GILES:         Immerhin hat er sie in Frankreich
kennen gelernt. Vermutlich eine mondäne Schönheit.

BEATRICE:
Woher willst du das wissen, Giles? “Ich ” steht auf Beatrice sieht
sie zuerst und versucht, Giles mit einer Geste zum Schweigen zu bringen.

GILES:         Ich
hoffe nur, sie macht keine nächtlichen Segel touren.

BEATRICE: Still, Giles!

ICH:             Hallo.

BEATRICE:
Da sind Sie ja… oh, ich meine, du bist… Entschuldigung, dass wir so
eindringen. Ich bin Maxims Schwester Beatrice. Und das ist Giles, mein Mann.
Herzlich Willkommen auf Manderley. Nenn mich Bee.

ICH:             Guten
Tag. Maxim sagte mir schon … ?

GILES:         Waren
Sie … ? Ah … Haben Sie etwa mitgekriegt, was ich…?

BEATRICE: Ach, lassen wir doch die Förmlichkeiten.
Wir sind doch jetzt verwandt.

Wenn
zwei sich finden, suchen sie
nur Zweisamkeit und Harmonie.
Sie traun sich, darum lassen sie sich traun.

ICH:             ES
gibt nichts, was sie trennen kann.

BEATRICE: Doch kaum hast du träumend
ja gesagt, umschlingen dich
gratis und ungefragt
Familienbande,
der ganze Clan
von deinem Mann.
Man heiratet auch
die Verwandten mit,

GILES:         kriegt
gratis die Onkel
und Tanten mit.

BEATRICE & GILES:     Ob Ostern, ob Weihnacht,
ob Herbst oder Mai,

GILES:         die
lieben Verwandten
sind immer dabei.

BEATRICE: Dein Schwager
macht manch derben Scherz.

GILES:         Jedoch
er hat
ein goldenes Herz.

BEATRICE & GILES:     Familienbande
fordern oft viel
Geduld.

GILES:         Ich
hab nun mal einen
besond’ren Humor.

BEATRICE: Das kommt leider in den besten
Familien vor.

ICH:             Ich
wollte immer eine
Schwester wie dich.

BEATRICE: Dass du jetzt da bist,
ist ein grosses Glück für mich.

ICH:             Auch
mich.

GILES:         Und
mich.

ICH, BEATRICE &: GILES:         Verwandte bekommt
man umsonst dazu,
man küsst und umarmt sich
und ist per du.

GILES:         Für
liebe Verwandte gilt kein Tabu.

ICH, BEATRICE & GILES: Und war’n wir bisher
auch gar nicht bekannt,
jetzt bindet uns der
Familienstand.
Wir sind, was auch sei,
verwandt und stets dabei! Dabei!

Alle
lachen. Es wird dunkel. Verwandlung.

 

ERSTER AKT
Szene 6 Bibliothek.

Maxim
und “Ich” beenden gerade eine Partie Schach. Auf dem Tisch stehen
zwei Gläser mit Rotwein.

ICH:             Schachmatt!

MAXIM:        Nein,
nein!

ICH:             Doch,
doch! Du hast verloren. Tut mir leid!

MAXIM:        Verflixt,
ich hab dich unterschätzt.

ICH:             Und
was kriegt der Sieger?!

Maxim küsst “Ich “. Beide lachen.

MAXIM:        Bist
du glücklich?
Kannst du mich immer noch ertragen?
Ich bin schwierig.
Es lebt sich nicht sehr leicht mit mir.

ICH:             Das
ist Unsinn.
Schau, was dir meine Augen sagen!
Ich lieb dich, Maxim.
Ich möchte niemals fort von dir.
Bist du glücklich?
Ich habe noch so viel zu lernen.
Manchmal denk ich,
dass ich dich dauernd nur blamier’.

MAXIM:        DU
bist jung.
Du hast bestimmt oft Langeweile.

ICH:             Überhaupt
nicht.

MAXIM:        Wahrscheinlich
fehlt dir vieles hier.

ICH:             Ich
hab doch alles, was ich brauche. Was sollte mir denn fehlen?

MAXIM:        Ausflüge, Strandpartys, Freundinnen,
Tanzfeste, Einladungen. Was man in deinem Alter halt so macht.

ICH:   Beatrice hat mir erzählt, dass es in
Manderley jedes Jahr einen Kostümball gab. Lass uns die Tradition fortsetzen!
Ein Maskenball. Das fände ich lustig!

MAXIM:        Ach,
ich weiß nicht.

ICH:   Aber
es würde dir gut tun. Bitte, Maxim. Sag ja. Du musst dich auch um gar nichts
kümmern. Und ich hätte endlich eine Aufgabe.

MAXIM:        Na
gut, wenn du es gar so gern willst … du bekommst deinen Kostümball. Sie
umarmt ihn wie ein überglückliches Kind.

ICH:   Danke,
Maxim. Du bist ein Schatz! Danke, danke!

Mrs.
Danvers tritt ein, räuspert sich. “Ich” sieht sie, erschrickt, lässt
Maxim los und greift verlegen nach dem Weinglas.

MRS. DANVERS: Entschuldigen Sie die Störung, Sir.

MAXIM:        Was
gibt es, Mrs. Danvers?

MRS. DANVERS: ES geht um den Amor, Sir; die Porzellan-figur
auf dem Sekretär im Morgenzimmer. Ich fürchte, sie wurde gestohlen. Jedenfalls
ist sie verschwunden. Ich habe Robert ins Verhör genommen, aber er schwört, er
hätte nichts damit zu tun.

“Ich
” zittert so, dass sie sich Wein über den Pullover schüttet.

MAXIM:        Und?
Warum behelligen Sie mich damit?

MRS.
DANVERS: Der Amor war die Lieblingsfigur von Mrs. de Winter. Meissner
Porzellan, Sir. Das wertvollste Stück im Morgenzimmer.

ICH:             O,
wie schrecklich!

MAXIM (ZU
“Ich”)’. So schlimm ist das auch wieder nicht. Im Übrigen ist das
dein Ressort, Liebes.

ICH:             Maxim
… ich hab’ vergessen, dir das zu sagen… Ich bin schuld. Ich habe den Amor
zerbrochen.

MAXIM:        DU
… ? Warum zum Teufel sagst du das erst jetzt?

ICH:             Ich
wollte mir die Figur ansehen … und da ist sie mir aus der Hand gerutscht.

MAXIM (beherrscht sich nur mühsam, zu Mrs.
Danvers): Sie hören es, Mrs. Danvers. Mrs. de Winter hat die Figur zerbrochen
und vergessen, es zu erwähnen.

ICH:   ES tut mir sehr leid.

MRS.
DANVERS: Was haben Sie mit den Scherben gemacht, wenn ich fragen darf?

ICH:             Sie
sind im Sekretär. Ganz hinten in der rechten Schublade.

MAXIM:        Wahrscheinlich hat meine Frau
befürchtet, Sie würden sie verhaften und einsperren, Mrs. Danvers.

MRS.
DANVERS: Ich werde mich bei Robert entschuldigen. Ich konnte ja nicht ahnen,
dass es Madam war, die den Amor zerbrochen hat.

MAXIM:        Gut. Jetzt wissen Sie es.

MRS. DANVERS: Ich hoffe man kann die Figur wieder
herstellen. Die Angelegenheit höchst bedauerlich, Sir. Im Morgenzimmer ist
bisher noch nie etwas zu Bruch gegangen.

MAXIM:        ES reicht. Sie können geh’n, Mrs.
Danvers.

Mrs.
Danvers geht ab. Nach kurzem Schweigen …

ICH:             Bist
du böse?
Es tut mir leid, es war ein Fehler.
Erst die Scherben-
und dann, dass ich nicht drüber sprach.

MAXIM (ärgerlich): Ach, vergiss es!
Was interessiert mich dieser Nippes.

ICH:             Vergib
mir, Maxim..

MAXIM:        DU
reagierst oft wie ein Kind.

ICH:             Ja,
das weiss ich.
Ich hoff nur, dass ich dir nicht schade.

MAXIM (gesprochen): Mir schaden? Wie?

ICH:             Na
ja, die Leute tratschen gern.

MAXIM (plötzlich wütend, gesprochen): Tratschen
gern?
as zum Teufel weisst du
von Gerüchten und Tratsch?

ICH:             Gar
nichts. Ich mein nur so.

MAXIM:        Warum
hörst du auf Rederei?
Mit wem hast du gesprochen?

ICH:             Mit
keinem.

MAXIM:        Wie
weisst du dann von dem Geschwätz?

ICH:             Was
macht dich so zornig?
Gibt es da etwas, das ich nicht weiss?

MAXIM:        DU
musst, weiss Gott, nicht alles wissen!

ICH:             Bitte.
Bitte sei mir nicht mehr böse.
Ich lieb’ dich.
Ich will dich doch nur besser verstehn.
Bist du glücklich?

MAXIM:        Frag
mich nicht.

ICH:             Bist
du glücklich?

MAXIM:        Glücklich,
glücklich …
Ich weiss nicht, was das ist.

Er greift nach der Zeitung. Sie wischt
sich über die Augen, während es dunkel wird.
Szenenwechsel.

 

ERSTER AKT
Szene 7
Suite im Ostflügel.

Später
in derselben Nacht. “Ich ” befindet sich im Schlafzimmer und Maxim in
der Bibliothek. Ein nebelverhangener Mond beleuchtet die Räume. Das Fenster im
Zimmer von “Ich ” ist geöffnet. Ab und zu bauscht ein Windstoß die
Gardinen auf. Von fern hört man das Rauschen der Brandung. In der Bibliothek
sitzt Maxim in einem Ledersessel und starrt auf unsichtbare Schattenbilder.

“Ich
” steht auf, um das Fenster zu schließen.

ICH:             Vor’m
Fensterkreuz der Vorhang,
der im Wind weht.
Das Mondlicht, das die Schatten tanzen lässt.
Und die Geräusche in dem grossen fremden Haus,
wie leise Stimmen huschender Gespenster.
Es ist schon spät, doch ich komm’ nicht zur Ruh.
In mir tausend Fragen.
Wie kann ich schlafen,
wenn du nicht da bist?
Hilf mir durch die Nacht!
Gib auf mich acht.
Lass mich nicht den Mut verliern.
Halt mich ganz fest,
wenn mir kalt ist im Dunkeln.
Und hast du die Zweifel
mir fortgeküsst,
zeig mir, was Liebe ist.

Sie
setzt sich auf den Bettrand. Das Licht wechselt und lenkt die Aufmerksamkeit
auf das andere Zimmer.

MAXIM:        Ich
dachte, ich kann ganz von vorn beginnen.
Doch nie gibt die Vergangenheit mich frei.
Wie konnte ich nur glauben,
dass ich sie vergessen kann?
Ich schliess die Augen und seh nur Rebecca.
Die Wahrheit ist, ich weiss nicht, wer ich bin.
Ich habe mich verloren.
Nirgendwo Hoffnung.
Überall Lüge.
Hilf mir durch die Nacht!
Gib mir die Kraft,
durch die Dunkelheit zu gehn.
Halt mich ganz fest,
wenn das Gestern mir Angst macht.
Und wenn ich gelernt hab,
wie man vergisst:
Zeig mir, was Liebe ist.

MAXIM &C ICH: Hilf mir durch die Nacht!
Gib mir die Kraft,
durch die Dunkelheit zu gehn.
Halt mich ganz fest,
wenn das Gestern mir Angst macht.
Und wenn ich gelernt hab,
wie man vergisst:
Zeig mir, was Liebe ist.

Es
wird dunkel. Verwandlung.

ERSTER AKT
Szene 8

Haus von Beatrice.

Beatrice hat soeben ein längeres Telefonat
mit “Ich ” geführt, von dem wir noch das Ende hören.

BEATRICE:
… und jetzt denk nicht mehr dran. Maxim ist manchmal schrecklich
unbeherrscht, sogar jähzornig. So war er schon als Kind. Du wirst sehen, wenn
er aus London zurückkommt, ist er wieder der Alte. Ruf mich wieder an … Kopf
hoch! Adieu.

Sie legt auf Das Gespräch hat sie nachdenklich
gemacht.

Was
ist nur los mit ihm?
Ich kann ihn nicht verstehn.
Irgendwas ist geschehn,
worüber er nicht spricht.
Er wird geliebt wie je,
er hat sein Manderley,
doch glücklich
ist er nicht.
Obwohl ich meinen Bruder kenn’,
seh’ ich doch nicht in ihn hinein.
Doch ist er kalt und ungerecht,
dann muss er sehr verzweifelt sein.
Als unser Vater starb,
hielt er ihm stumm die Hand.
Und dass er ihn verstand,
sagte mir sein Gesicht.
Und alle wussten gut,
was immer Maxim tut,
er hält, was
er verspricht.
Ehre und Ruf von Manderley
würde er schützen vor Gefahr’n.
Er schwor, den Namen und das Haus
vor jedem Makel zu bewahr’n.
Und das ist schwer für ihn.
Oft folgt er blindlings den Gefühlen.
Er liebt und hasst ganz unbeherrscht.
Dann ist er oft sein eigner Feind.
Und wer mit meinem Bruder lebt,
bleibt oft mit seinem Schmerz allein.
Doch ist er kalt und ungerecht,
dann muss er sehr verzweifelt sein.

Es
wird dunkel.
Verwandlung.

ERSTER AKT
Szene 9

Rebeccas Zimmer.

Mrs.
Danvers hat einen Besucher in die ehemals von Rebecca bewohnten Räume im
Westflügel von Manderley geführt. Die hohen Fenster gehen aufs Meer hinaus. Man
hört das Rauschen der nahen Brandung. Jack Favell, der Besucher, ist ein
sonnengebräunter, gutaussehender Mittdreißiger mit dem sicheren Aufire-ten
eines Autoverkäufers und Frauenhelden. Es ist offensichtlich, dass er sich
nicht zum erstenmal in Rebeccas Schlafzimmer befindet. Er scheint etwas zu
suchen. Mrs. Danvers beobachtet ihn nervös.

MRS. DANVERS: Sie müssen fort, Favell!
Man darf Sie hier nicht sehn.

JACK FAVELL: Nur keine Panik, Danny.
Max ist doch in London,
das hast du selbst gesagt.
Niemand sieht mich,
Es sei denn deine neue Madame
spioniert uns nach.

MRS. DANVERS: Die stört uns nicht. Nicht hier.
Sie weiss, dies ist Rebeccas Reich.

JACK FAVELL: WO ist das Kästchen mit dem Schmuck
geblieben?
Es hat doch immer hier gestanden.

MRS. DANVERS: Hände weg von Ihren Sachen!

JACK FAVELL: Sei nicht albern, Danny.
Rebecca liebte mich.
Ich war doch ihr
Lieblingscousin…

MRS. DANVERS: Sie war gewohnt,
geliebt zu werden.
Die Männer waren verrückt nach ihr.
Denn sie war mehr als schön,
von ihr ging ein Zauber aus.
Den Traum, von ihr
geliebt zu werden,
träumte fast jeder Mann.
Und dabei wussten sie,
dass sie keiner haben kann.

JACK FAVELL: Doch ich bin ihr verwandt.
Ich liebe sie genau wie du.
Wie du find’ ich es gar nicht gut,
dass eine andre ihren Platz einnehmen will.
Rebecca liebte mich.
Ich war doch ihr Lieblingscousin…

MRS. DANVERS: Sie war gewohnt,
geliebt zu werden.
Die Männer waren
verrückt nach ihr.
Denn sie war mehr als schön,
von ihr ging ein Zauber aus.
Den Traum, von ihr
geliebt zu werden,
träumte fast jeder Mann.
Und dabei wussten sie,
dass sie keiner haben kann.

JACK FAVELL (gleichzeitig): Niemand stand ihr
näher.
Ich war viel mehr
als ein Cousin.
Hilf mir suchen, Danny.
Ihren Schmuck
und ihr Geld.
Mir würd’ es helfen.
Das wäre in
ihrem Sinn, Danny.

Favell hört etwas.

JACK FAVELL: Psst, Danny! Still ….!

Die
Musik stoppt. Jack Favell öffnet plötzlich die Tür. Davor steht
“Ich”.

Pardon!
Habe ich Sie erschreckt? Ich bitte um Entschuldigung.

Er
fordert sie mit einer Geste auf ins Zimmer zu treten.

Alle
deine Vorsichtsmaßnahmen waren umsonst, Danny! Die Hausherrin hat gelauscht.

ICH:             Ich
hörte Stimmen, Mrs. Danvers.

JACK FAVELL: Willst du mich nicht vorstellen?

MRS. DANVERS: Mr. Jack Favell,
Madam. Mrs. de Winters Cousin.

ICH:             Guten
Tag. Bleiben Sie zum Tee?

JACK
FAVELL: Ach, ist das nicht reizend?! Wirklich, Danny, ich habe große Lust, die
Einladung anzunehmen.

Mrs.
Danvers schüttelt missbilligend den Kopf.

JACK
FAVELL: Na, vielleicht hast du recht. Ich will die kleine Frau nicht auf Abwege
führen. Es ist wohl besser, ich empfehle mich. Adieu, Verehrteste.

ICH:             Wie
Sie meinen, Mr. Favell. Auf Wiedersehen.

Er
macht eine übertriebene Verneigung und geht grinsend zur Tür. Dort dreht er
sich noch einmal um.

JACK FAVELL: Was ich noch sagen wollte … Es wäre
nett von Ihnen, wenn Sie meine Stippvisite hier für sich behalten würden. Max
ist nicht gerade ein Fan von mir, und wir wollen doch der guten armen Danny
keine Schwierigkeiten machen, nicht wahr?

ICH:             Nein.
Natürlich, ist schon gut.

Unsicher
sieht “Ich” sich in dem ihr fremden Zimmer um. Mrs. Danvers bemerkt,
dass Sie ein Gemälde betrachtet, auf dem eine Dame in Weiß dargestellt ist.

MRS.
DANVERS: Haben Sie sich schon entschieden, was Sie auf dem Kostümfest tragen
werden?

ICH:   Mhm … nein. Noch nicht.

MRS. DANVERS: Hat Mr. de Winter keinen Wunsch
geäußert?

ICH:             O
nein. Er überlässt alles mir.

MRS.
DANVERS: Also, wenn ich Ihnen einen Vorschlag machen darf…

Mrs.
Danvers zeigt auf ein Gemälde.

Das
Lieblingsgemälde Ihres Gatten.

ICH:             Wirklich?

MRS. DANVERS: Caroline de Winter, eine Schwester
von Mr. de Winters Urgroßvater.

ICH:             Ja,
das wäre eine Möglichkeit …

MRS.
DANVERS: Überraschen Sie ihn. Ich lasse das Bild auf ihr Zimmer bringen. Die
Schneiderin soll es als Vorlage benutzen.

ICH:   Vielen
Dank, Mrs. Danvers. Das ist sehr nett von Ihnen. Wirklich. Es soll unser
Geheimnis sein.

Zum ersten mal huscht ein Lächeln über Mrs.
Danvers Gesicht.

MRS. DANVERS:Schön hier, nicht wahr? Sehen Sie
sich ruhig um. Das Zimmer von Mrs. de Winter. Ein herrlicher Raum.

ICH:   Ja.
Sehr schön. Aber ein bisschen … unheimlich.

MRS. DANVERS: Mr. de Winter hat den Westflügel
nicht mehr betreten, seit seine Frau ertrunken ist.

Sie
zieht den Vorhang auf und öffnet das Fenster. Das Rauschen der Brandung wird merklich
lauter. Das Rauschen der Brandung. “Ich” lauscht. Mrs. Danvers kommt
ihr näher.

Hören Sie
das? Das Meer ruft ihren Namen …

SCHATTEN (hinter der Bühne): Rebecca …
Rebecca …

Mrs.
Danvers zeigt “Ich ” Rebeccas Bett.

MRS. DANVERS: Das ist ihr Bett.
Und hier –
das ist ihr Nachthemd.
Wunderschön, sehn Sie nur!
Leicht wie ein Windhauch,
so seidig,
ein schmeichelndes Nichts.
Und jede Faser
atmet noch heut’ den Duft ihrer Haut.
Auch wenn sie hier
nicht mehr schläft,
auch wenn sie
keiner sieht,
seit sie ging,
singt die Brandung
ihr Lied:
Rebecca,
wo du auch immer bist,
dein Herz ist ruhlos
wie die wilde, freie See.
Wenn der Abend beginnt,
singt der Wind:
Rebecca,
komm heim, Rebecca!
Aus dem Nebelreich
zurück nach Manderley.

 

SCHATTEN: Rebecca …
Rebecca …

MRS. DANVERS: Ihr Haar war
dicht und weich.
Ich kämmte es
genau wie’s ihr gefiel.
Tag und Nacht
sah sie wie
eine Königin aus.
Was sie auch machte,
sie hatte Haltung,
hatte Stil.
Manches hat sich
verändert hier,
seit sie ging
letztes Jahr,
doch ihr Zauber
ist immer
noch wahr.

MRS. DANVERS: Rebecca,
wo du auch immer bist,

SCHATTEN (gleichzeitig): Rebecca!

MRS. DANVERS: dein Herz ist ruhlos
wie die wilde, freie See.
Wenn der Abend beginnt,
singt der Wind:

SCHATTEN (gleichzeitig): Wenn der Abend beginnt,
singt der Wind!

MRS. DANVERS: Rebecca,
komm heim, Rebecca!

SCHATTEN (gleichzeitig): Rebecca!
Rebecca!

MRS. DANVERS: Aus dem Nebel reich
zurück nach Manderley.

Blackout.

 

ERSTER AKT
Szene 10 Golfclub.

Ein
Nachmittag im Mai. Golfspieler beiderlei Geschlechts beim geselligen
Beisammensein im Country Club von Kerrith.

GOLFSPIELER 1: Schön heut.

GOLFSPIELER 2: Ja, herrlich.

GOLFSPIELER 3: Der Winter scheint vorbei.

GOLFSPIELER 2: Ein Tag, gemacht zum Golfen.

GOLFSPIELER 1: Nur viel zu kalt für Mai.

GOLFSPIELER 3: Sie haben völlig recht, Giles. Zu
kalt.

GOLFSPIELER 4: Ja, das ist wahr.

GOLFSPIELER 5: Der Wind ist noch recht kühl.

GOLFSPIELER 1: Doch die Luft ist wunderbar.

Die
Golfspieler unterbrechen den Austausch ihrer Ansichten übers Wetter und wenden
sich direkt ans Publikum.

FÜNF GOLFSPIELER: Sie denken, es geht hier ums
Wetter.

Das scheint nur so.
Wir beweisen nur Niveau.

ALLE GOLFSPIELER: Wir sind Britisch, wir sind
fein.
Wir sind ein exklusiver Verein.
Für uns ist Golf nicht nur ein Spiel,
sondern ein Privileg.
Wir legen wert auf Konvention,
auf Namen und Rang und Tradition.
Bei uns kommt nicht jeder rein.
Wir sind Britisch, wir sind fein.

GOLFSPIELER 1: De Winters geben dieses Jahr
wieder einen Maskenball.

GOLFSPIELER 2: Die Einladung hat mich überrascht.

GOLFSPIELER 3: Gehen Sie hin?

ALLE GOLFSPIELER: Oh, ja!

GOLFSPIELER 3: Wie geht es Maxim?

GOLFSPIELER 4: Er war noch gar nicht hier.

GOLFSPIELER 5: Ihn fordert wohl die Gattin.

GOLFSPIELER 4: Sein Urlaubssouvenir.

GOLFSPIELERIN 6: Es heisst, sie sei erst achtzehn.

GOLFSPIELER 3: Das Witwerideal.

GOLFSPIELERIN 5: Ein kleines Zimmermädchen..

GOLFSPIELERIN 4 & GOLFSPIELER 6: Eine vom
Dienstpersonal.

Wieder zum Publikum:

ALLE GOLFSPIELER: Sie meinen, wir wären boshaft?
Das scheint nur so.
Uns geht es nur um’s Niveau!
Wir sind Britisch, wir sind stolz.
Wir sind aus ganz besonderem Holz.
Wir glauben, dass Gott, der Herr,
ein britischer Gentleman ist.
Wir sind kritisch, wir sind smart
auf unsre feine englische Art.
Die Kultur liegt uns im Blut.
Wir sind Britisch, wir sind gut.
Wir sind Britisch, wir sind fein.
Wir sind ein exklusiver Verein.
Für uns ist Golf nicht nur ein Spiel,
sondern ein Privileg.
Wir legen wert auf Konvention,
auf Namen und Rang und Tradition.
Jeder will in unsern Verein,
doch es kommt nicht jeder rein.
Wer nicht in ist und fein,
kann bei uns nicht Mitglied sein.
O nein!

Ein komisches Tableau. Blackout. Verwandlung.

ERSTER AKT
Szene 11 Bootshaus.

In
der Bucht vor Manderley steht ein Bootshaus. Davor sitzt ein merkwürdig gekleideter
Mann  mit zerzaustem Haar und wirrem
Gesichtsausdruck. Er sortiert Muscheln. Es ist der geistig zurückgebliebene
Ben, der sich oft auf dem Gelände herumtreibt.

BEN:           Sie’s
fort.
Sie’s fort jetz’.
Kommt nimmermehr.
Liegt draussen im Meer drunten,
und kann nie mehr zurück.
Versunken, ertrunken!

Als
“Ich ” auftritt, erschrickt Ben. Er blickt ängstlich auf.

BEN:           Ben
nix gemacht. Ben nix gesehn.

ICH:             Guten
Tag. Ich bin Mrs. de Winter.

BEN:           Missis
kommt nimmermehr.

ICH:             Ich
bin Mr. de Winters neue Frau. Und wer sind Sie?

BEN:           Ben
nix getan. Ben brav.

ICH:             Ist
ja gut, Ben. Ich schau mich ein wenig um. Wohnst du in dem Bootshaus?

BEN:           Nein,
nein. Ben darf da nit rein.

“Ich”
blickt durch ein kleines Fenster in das Bootshaus hinein.

ICH:             Ist
ja ganz gemütlich da drinnen.

BEN:           Sie
kann nie mehr zurück. Oder?

ICH:             Nein.
Sie ist tot, Ben.

BEN:           Ben
nix gesehn. Ben nix gemacht. Bitte nit ins Heim.

ICH:             Niemand
will dich in ein Heim schicken, Ben.

BEN:           Doch.
Sie. Aber kann Ben nix mehr tun.
Sie’s fort.
Sie’s fort jetz’.
Kommt nimmermehr.
Liegt draussen im Meer drunten,
und kann nie mehr zurück.
Versunken, ertrunken!

ICH:             Was
für schöne Muscheln du hier hast. Alle selbst gesammelt?

BEN:           Ja.
Viele Farben. Ben gesammelt.

ICH:             Lass
mal sehn. Ja, wirklich. Sehr schön.

BEN:           Bitte
nit ins Heim.

ICH:             Nein,
Ben. Kein Heim, das versprech’ ich dir.

BEN:           Du
bis’ nit wie die.
Die war immer bös.
Du bis’ gut.
Musst’ ein Engel sein,
siehst wie einer aus,
und du schaust,
wie nur Engel schaun.
Du bis’ zu niemand bös
tust keinem nix.
Hast gutes Herz.
Bleib da!
Bleib da jetz’.
Geh’ nimmer mehr.
Die and’re im Meer drunten,
die kann dir gar nix tun.
Bist stärker! Bist besser!

Von
weit weg hört man Maxim rufen …

MAXIMS STIMME: Hallo! Wo steckst du?

BEN:           Bitte
Missis.

MAXIMS STIMME: He, ich bin zurück!

BEN:           Nix
sagen. Ben nix gemacht.

ICH:             Maxim?

Ben
sammelt rasch die Muscheln ein und geht ab.

MAXIMS STIMME: Wo bist du denn?

ICH:             Hier
unten, Maxim! Beim Bootshaus …

Maxim
tritt auf.

MAXIM:        Was
zum Teufel machst du hier?

ICH:             Ich
hab mich ein wenig umgesehen. Gehört die ganze Bucht zu Manderley?

MAXIM:        Warst
du im Bootshaus?

Maxim
prüft, ob die Tür zum Bootshaus noch verschlossen ist.

ICH:             Nein,
warum?

MAXIM:        Niemand
geht da rein, ist das klar.

ICH:             Ich
war nicht drin, Maxim.

MAXIM:        Und
ich will auch nicht, dass du hier herunter kommst. Ich hasse dieses dreckige
Bootshaus. Es macht mich krank, dich hier zu sehen.

“Ich”
versucht Maxim von dem Bootshaus abzulenken, das ihn offensichtlich so in Rage
versetzt. Sie zeigt aufs Meer hinaus.

ICH:             Ist
das da draußen eine Boje?

MAXIM:        Warum
interessiert dich das? Was geht dich diese gottverdammte Boje an?

ICH:             Maxim,
bitte!

MAXIM:        Was,
bitte? Was!

ICH:             Bitte,
Maxim! Du machst mir Angst.

Sie
dreht sich um und rennt davon. Ihr abrupter Abgang ernüchtert Maxim. Er ist nur
noch wütend auf sich selbst.

MAXIM:        Hab
ich
denn den Verstand verlor’n?
Warum
ist soviel Angst und Zorn in mir?
Ich hass’ mich selbst
dafür.
Was zog mich bloss
an diesen Unglücksort?
Ich fühl,
dass er verflucht, verflucht ist.
Gott, warum, warum kam ich
zurück nach Manderley?
Als ich
ein kleiner Junge war,
sang mich
das Lied der Brandung in den Schlaf
und trug mich
übers Meer.
Jetzt klingt das Lied
der Brandung geisterhaft.
Ich weiss,
dass ich verflucht, verflucht bin.
Gott, warum kam ich zurück?
Was bin ich für ein Narr! Hier
lebt die Vergangenheit. Hier
hat sie gewartet all die Zeit.
Etwas in mir glaubt daran,
dass ihre Liebe mich befrein kann
von den Bildern, die mich quälen,
wenn ich die Augen schliesse.
Doch wenn
ich mit ihr flieh’ von hier, dann holt
uns irgendwann das Gestern
ein. Ich käme nie zur Ruh’.
Nein, ich bleib da
und stell mich dem, was war,
bis ich
nicht mehr verflucht,
verflucht bin.
Ja, darum, darum kam ich
zurück nach Manderley.
Und ich werde
stärker sein,
stärker als die Schatten
und die Nacht.

Er geht rasch ab. Es wird dunkel. Verwandlung.

 

ERSTER AKT
Szene 12 Crawleys Büro.

Frank
Crawley sitzt am Schreibtisch und bespricht mit Frith die Post. “Ich
” tritt mit einem Zettel in der Hand auf

ICH:   Störe
ich, Frank?

FRANK CRAWLEY: Aber nein, Mrs. de Winter.
Überhaupt nicht.

ICH:   Ich
komme wegen des Kostümballs … Sie wollten doch meine Einladungsliste.

FRANK CRAWLEY: Ja, natürlich. Oh, nur eine
Adresse?
Mrs. Edith Van
Hopper,
Park Avenue New
York
. Gut. Die Einladung
geht noch heute raus. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?

ICH:   Nein, danke … das heißt, doch. Vor ein paar
Tagen war ich unten beim Bootshaus.

FRANK
CRAWLEY: Dann haben Sie sicher Ben getroffen. Der strolcht immer da unten am
Strand herum. Sie brauchen keine Angst zu haben vor ihm.

ICH:   Oh, ich sah gleich, dass er nicht gefährlich
ist. Aber Maxim war völlig außer sich, als er mich da unten sah. Ich verstehe
nicht, warum.

FRANK CRAWLEY: Das Bootshaus war ihr Nest.

ICH:   Das Nest von Rebecca de Winter?

FRANK
CRAWLEY: Ja. Sie hatte sich da eingerichtet. Manchmal hat sie sogar übernachtet
im Bootshaus.

ICH:   In der
Bucht schwimmt eine Boje.

FRANK CRAWLEY: Da war das Boot festgemacht, mit
dem sie umgekommen ist in jener Nacht. Erst drei Monate später wurde ihre
Leiche gefunden, vierzig Meilen von hier, an der Küste vor Edgecombe. Maxim
musste sie identifizieren.

ICH:   Bitte
… erzählen Sie mir von ihr. War sie wirklich so schön?

FRANK CRAWLEY: O ja. Sie war die schönste Frau,
die mir je begegnet ist.

ICH:   Das
sagen alle. Und charmant, intelligent, geistreich war sie auch. Gegen sie bin
ich ein Nichts. In jeder Beziehung …

FRANK CRAWLEY: Sie sind nur anders, Mrs. de
Winter. Es ist nicht ihre Aufgabe, zu sein wie sie. Sie sollen Maxim und uns
helfen, sie zu vergessen.

ICH:   Ich
weiß nicht, ob ich das kann.

FRANK CRAWLEY: Meine Meinung ist nicht wichtig,
doch ich sprech sie offen aus.
Was verkehrt ist und was richtig,
stellt sich oft erst später heraus.
Und wenn eine Frau nur schön ist,
doch im Innern kalt und leer,
bleibt Fassade, was zu sehn ist.
Was ein Mann wirklich braucht, ist viel mehr.
Ehrlichkeit
und Vertrauen,
Freundlichkeit
und Herzenswärme.
Und die Kraft,
nach vorn zu schauen,
wenn du dich selber
verlierst.
Ein Mensch, der da ist,
wenn du Fragen stellst,
und der dich auffängt,
wenn du fällst,
ist viel mehr wert
als alle Schönheit
dieser Welt.

“Ich”geht
mit einem stummen Adieu ab. Frank Crawley sieht Ihr nachdenklich hinterher.

Sicherheit
für ein Leben.
Zweisamkeit
in schweren Stunden.
Und den Mut,
sich ganz zu geben,
ohne zu fragen,
was wird.
Ein Mensch, der hört, wovon
dein Schweigen spricht,
und Angst besiegt
durch Zuversicht,
ist viel mehr wert
als alle Schönheit
dieser Welt.
Sehr viel mehr.

Während
Frank Crawley sich wieder an den Schreibtisch setzt, wird es dunkel.
Überleitungsmusik deutet das Vergehen einiger Wochen an. Verwandlung.

 

ERSTER AKT
Szene 13 Halle von Manderley.

Die
große Empfangshalle von Manderley wurde zum. festlichen Ballsaal umgestaltet.
Nach und nach treffen die kostümierten Gäste ein. Frith begrüßt sie, Robert
serviert Drinks, dies ist als Araber verkleidet, Beatrice als verschleierte
Haremsdame. Frank Crawley kommt als Pirat, andere Gäste erscheinen als
Harlekin, Alice im Wunderland, Hexe, Fee, Polizist und Schäferin. Oberst Julyan
ist als Cäsar kostümiert. Nur Maxim ist formell gekleidet.

GAST 1: Ich freu’ mich lang schon auf diesen
Abend.

GAST 2: Nichts, wohin ich lieber geh.

GAST 1, 2, 3: Kein and’res Fest ist so lustig wie
der Maskenball
von Manderley!

VIER GÄSTE: Das Renommiern
geht ein andermal weiter.
Heut’ darf jeder heiter
ein Narr sein.
Man ist ja oft genug
ernsthaft und bieder.
Heut’ dürfen wir wieder
bizarr sein.

GAST 4 Das Fest Nummer Eins ist seit eh und je …

ALLE GÄSTE: … der Ball von Manderley.

OBERST JÜLYAN: Guten Abend, Maxim. Wo ist ihre
reizende Frau?

MAXIM:        O,
die macht es heute sehr spannend. Sie will uns alle überraschen.

BEATRICE: Auch mir hat sie nicht verraten, in
welchem Kostüm sie erscheint.

MAXIM:        Sie
hat sich irgendetwas Fantastisches schneidern lassen; ich habe keine Ahnung.

GAST 5: Sind Sie ein Scheich oder Maharadscha?

GlLES: Nein, ich wärm nur mein Toupet.

GAST 1, 2, 3 & GlLES: Einmal im Jahr blüht die
Fantasie
beim Maskenball
von Manderley.

GÄSTE GRUPPE 1: Das Imponiern
lassen wir heut’ mal bleiben.
Was wir reden und treiben,
darf hohl sein.

GÄSTE GRUPPE 2: Und wenn es später wird,
wagt man ein Küsschen.
Heut’ darf man ein bisschen
frivol sein.

ALLE GÄSTE: Man fährt statt nach Brighton und
Saint Tropez
zum Ball von Manderley.
Denn wer in Cornwall was ist und war,
ist hier heut’ Nacht,
denn eins ist klar:
Das Fest Nummer eins ist seit eh und je
der Ball von Manderley.

Mrs.
Van Hopper tritt auf. Sie stolpert Maxim in die Arme.

MAXIM:        Guten
Abend, Mrs. Van Hopper. Wie war Ihre Reise?

MRS. VAN HOPPER: Ach, fragen Sie nicht, Mr. de
Winter. Ich bin immer noch seekrank.

MAXIM:        Darf
ich Ihnen einige meiner Gäste vorstellen?

MRS. VAN HOPPER: Ich bestehe darauf. Wer ist der
stattliche Mann da drüben?

MAXIM:        Oberst
Julyan, der Chef der Bezirksverwaltung.

MRS. VAN HOPPER: Ist er ledig?

MAXIM:        Verwitwet.

MRS. VAN HOPPER: Ah … Dann ist das sein Glückstag heute!

Hat einer
seine Frau begraben,
muss er eine neue haben,
und keine könnte
besser sein als ich.
Und wenn er auch Lord Manor war,
mit Schloss und altem Butler,
selbst wenn der King sein Gönner war:
 Er findet nichts Bess’res als mich.
Denn seh’n Sie,
I’m an American Woman.
Ich weiss, was ich will, und will es gleich.
Ich bin nicht diskret;
ich möchte, dass man mich versteht.
Ausserdem bin ich reich.
Ich hab Swing im Rock
und Cola in der Kehle,
und in meiner Seele
singt ein Gospelchor,
denn ich bin von Kopf bis Fuss
amerikanisch.
Im alten England
neigt der Mann an sich
zur Vertrottelung.
Ich halt ihn jung,
blas’ ihm den Marsch,
bring ihn in Schwung!
Ich tret ihm in den Arsch!
Denn seh’n sie,
I’m an American Woman.
Ich pfeif auf Geschmack,
ich mag es schrill.
Ich bin eine Braut
für einen Mann,
der sich was traut
und tut, was ich will.
Ich kann Nüsse
mit den Händen knacken.
Ich kann Cookies backen
und gewinn beim Bridge.
Ich kann weiter spucken,
mehr verschlucken,
lauter lachen.
Ich kann alles, ausser
einen Fehler machen.
Was ich träum, wird wahr,
denn ich bin aus den USA.

Die
Gäste applaudieren. Oberst Julyan reicht Mrs. Van Hopper ein Glas Champagner.
Die Ballszene verschwindet, während die Musik zur folgenden Zwischenszene
überleitet. Verwandlung.

 

ERSTER AKT
Szene 14 Ankleidezimmer.

“Ich
” sitzt am Schminktisch. Im Verlauf der Szene verwandelt sie sich mit
Hilfe von Ciarice in die Dame in Weiß aus dem Gemälde, das neben einem großen
Spiegel an der Wand lehnt. Beatrice steht vor der Tür zum Ankleidezimmer. Sie
klopft. “Ich” weist Ciarice mit einer Geste an, nicht aufzumachen.

BEATRICE: Ich bin’s. Beatrice. Brauchst du noch
lang?

ICH:             Bitte,
Bee! Ich bin noch nicht so weit. Warte unten auf mich.

BEATRICE: Als was kommst du denn? Ich platze vor
Neugier.

ICH (mit einem Kichern): Ha, platz nur.
Niemand wird mich erkennen. Maxim kann sich auf den Schock seines Lebens
gefasst machen.

BEATRICE: Sieh zu, dass du fertig wirst, Kleines.
Die Gäste sind schon alle da.

Beatrice
geht ab. “Ich ” steht vom Schminktisch auf und dreht sich vor dem
Spiegel.

ICH:             Sternenstaub
im Haar!
Märchen oder wahr?
Ich seh’ mich an und kann’s
kaum glauben.
Diese Frau
im Spiegel …
Bin das wirklich ich?
Alle
werden nach mir seh’n.
Geheimnisvoll und schön,
werd’ ich strahlend
in den Ballsaal geh’n.
Seht nur – da kommt
die Dame in Weiss!
Und ich schweb
auf Musik,
und ich sehe mich
in jedem Blick.
Es gibt keinen,
der mich nicht
bewundert,
und nichts, was
mich hält.
Ich bin so wie ich sein will,
und tu, was mir gefällt.
Heut’ Nacht
verzauber’ ich die Welt.
Heut’ glaub ich,
dass mich jeder mag,
ganz egal, was ich
auch tu und sag’.
Dies ist mein Tag!
Ein Traum
wird heute wahr.
Denn ich schweb
auf Musik,
und ich sehe mich
in jedem Blick.
Es gibt keinen,
der mich nicht
bewundert,
und nichts, was
mich hält.
Einmal im Leben
bin ich, wie’s mir gefällt.
Heut’ Nacht
verzauber’ ich die Welt!

Ciarice!
Versteck dich auf der Galerie und schau durchs Geländer, ob wirklich schon alle
da sind. Ich will die Letzte sein. Sie sollen alle sehen, wie die Dame in Weiss
die Treppen herunterkommt.

Ciarice schaut durchs Geländer und gibt
“Ich” das Zeichen zu kommen. Verwandlung.

 

ERSTER AKT
Szene 15

Halle
von Manderley.

Die große Empfangshalle von Manderley von. der anderen
Seite mit Blick auf den Treppenaufgang zur Galerie. Die Ballgäste im Gespräch
wie zuvor.
Trommelwirbel.

FRITH: Ladies and Gentlemen: Mrs. de
Winter!

“Ich”
erscheint auf dem obersten Absatz der Treppe, die in die Halle führt. Sie sieht
genau aus wie die Dame in Weiß auf dem Gemälde. Der erwartete Applaus bleibt
aus. Nur Mrs. Van Hopper klatscht kurz in die Hände, hört aber damit auf als
sie merkt, dass sie die einzige ist. Die Gäste starren auf “Ich” als
wäre sie ein Gespenst. Sie stecken tuschelnd die Köpfe zusammen.
“Ich” kommt die Treppe herunter.

MAXIM:        Verflucht!
Was zum Teufel soll das? Bist du verrückt geworden? Zieh’ dich um!

ICH:             Warum?
Was ist denn?

BEATRICE (flüstert): Ihr Kostüm. Genau dasselbe
trug Rebecca letztes Jahr.

“Ich”
bleibt stehen.

MAXIM:        Verschwinde!
Sofort!

Sie
blickt Maxim verständnislos an. Ein Augenblick der Erstarrung. Die Gäste, mit
dem Rücken zum Publikum, sind wie gelähmt. Mrs. Danvers tritt auf. Sie lächelt
triumphierend.

MRS. DAN VERS: Rebecca,
es geht nicht ohne dich.

Wenn tausend Lichter strahlen

SCHATTEN (gleichzeitig): Rebecca!

MRS. DANVERS: … fehlst du mehr denn je.
Alle Gäste hier
warten auf dich.
Rebecca!

SCHATTEN (gleichzeitig): Rebecca!

MRS. DANVERS: Komm heim, Rebecca!
Aus dem Schattenreich
zurück nach Manderley.

SCHATTEN (gleichzeitig): zurück nach Manderley.

Sie dreht sich um. Ihr Blick weckt
“Ich” aus der Erstarrung. “Ich ” läuft die Treppe hinauf.

Black-out.