ACT ONE
Ouvertüre
MÄDCHEN:
Eine von uns wird Miss Saigon!
CHEF IM RING:
Ich hab’s erzählt! Man weiß davon.
GIGI:
Kein Schwanz mehr da! Wer soll denn ‘ran?
CHEF IM RING:
Halt’s Maul und zieh die Hot Pants an.
GIGI:
Täglich verschwinden mehr G.I.s
CHEF IM RING:
Noch gibt’s genug, und sie sind heiß.
MÄDCHEN:
Der CHEF IM RING bestimmt den Preis.
CHEF IM RING:
Stimmt genau! Schaut mal, was ich hier habe!
Die hier ist neu, zieht sie schön an.
Unschuld vom Lande – unberührt!
GIGI:
Gib bloß nicht so als Jungfrau an!
MÄDCHEN:
Du bist mein erster weißer Mann…
CHEF IM RING:
Allez, Allez, Allez! Faulenzen zahl’ ich nicht!
Los, bewegt euren Arsch – bald ist sowieso Schicht!
MÄDCHEN:
Heut’ nacht werd’ ich die Miss Saigon!
CHEF IM RING:
Das letzte Aufgebot für Saigon ist bestellt.
MÄDCHEN:
Heut’ nacht werd’ ich die Miss Saigon!
CHEF IM RING:
Furchtbar, wie jede Nacht der Wert ihrer Hintern fällt.
Ich brauch’ ein Visum jetzt – das heißt ich brauche Geld.
Wen haben wir denn hier?
Seht, was ich organisier’!
Es ist wie damals, ihr gierigen Teens!
MÄDCHEN:
Na klar!
CHEF IM RING:
Schaut mal, wer da ist! Ein Haufen Marines.
MÄDCHEN:
Echt wahr?
CHEF IM RING:
Der Wettbewerb hat ‘nen tieferen Zweck!
MÄDCHEN:
Yes, Sir!
CHEF IM RING:
Einer von denen nimmt euch ins Gepäck!
Was willst du in dem Kleid?
Halt mal! Das wär’ gescheit.
Ich hab’s! Dies Hochzeitskleid macht sie bildschön…
die Augenlieder tief beim Geh’n!
Wie sie auf junges Frischfleisch steh’n.
Allez, Allez, Allez! Bringt euren Balzgesang!
Macht die Show nicht zu lang!
Violà! Bühne frei! Willkommen im… “Dreamland”!
Saigon du fieberst im Licht
G.I.s:
Saigon, du fieberst im Licht,
die Girls sind höllisch und heiß.
Einer der Schlitze wird gleich Miss Saigon –
Gott, hier stinkt es nach Spaß,
ganz zu schweigen vom Schweiß.
Saigon, du fieberst im Licht.
Ist draußen Krieg oder nicht?
Ich sage nicht, was ich weiß.
CHEF IM RING:
Ah! Monsieur Chris, Monsieur John!
Gewinnen Sie Miss Saigon!!
JOHN:
Mein Freund gehört flachgelegt.
Wär’ das kein Souvenir?
CHRIS:
Ich mag dich, Mann,
doch dein Scheißdreck, der steht mir bis hier!
JOHN, CHRIS, CHEF IM RING:
Saigon, du fieberst im Licht,
JOHN:
… doch bald schon machen wir dicht,
komm her, ich kauf’ dir ‘ne Frau.
CHRIS:
Kauf mir lieber ein Bier.
CHEF IM RING:
“Showtime!”
MIMI:
Hier mein Bikini – wie prall der mir sitzt!
YVETTE:
Wie der im Schenkel schön kneift, wo es schwitzt!
Ein Blick von hinten und ihr geifert erhitzt!
YVONNE:
Hier gibt es Trophä’n für Air Force und Heer!
MIMI:
Marines, ich zeig’ euch noch mehr!
AMERIKANER:
Dich nehm’ ich ordentlich her! Saigon, du fieberst im
Licht, erzähl mir nicht ich muß raus, dieser Dreck ist
vorbei, heut abend tob’ ich mich aus, hab’ ich einen
Schuß frei.
CHEF IM RING:
Und hier ist… Miss GIGI van Tranh!
GIGI:
Nimm mich als Pin-Up, ich blas’ dir den Marsch.
Gekreuzigt im Spind mit ‘ner Nadel im Arsch.
Wenn du mich kriegst, ja dann kriegst du’s X-Large!
Ich setz’ dir die Nacht in Flammen, Chéri.
CHEF IM RING:
Kauft Tickets, jetzt oder nie!
Der Superhauptpreis ist sie!
CHRIS:
Fleisch ist nichts wert in Saigon.
Wie oft bin ich hier schon stoned
mit ‘ner Nutte erwacht.
Doch irgendwie hat mir das
früher mehr Spaß gemacht.
CHEF IM RING:
Okay, Jungs – macht Platz für was Frisches
aus dem Dschungel – KIM!
KIM:
Ich bin erst siebzehn und neu hier seit heut.
Das Dorf, wo ich herkomm – so unendlich weit.
All diese Mädchen sind hübsch und gescheit,
doch ich weiß: ich hab ein Herz wie das Meer,
von tausend Träumen so schwer.
CHRIS:
Oh Jesus, John, wer ist sie?
G.I.s:
Die Schlinge würgt schon am Hals.
Ist’s eine Woche? Ein Tag?
Oder wann ist hier Schluß?
Nicht mehr viel Zeit für Genuß,
einmal noch jedenfalls.
Heut’ nacht versteh’n sich du und ich und ganz Saigon.
Vergiß die nackte Angst, vergiß mal den Vietcong.
Mimi, Gigi, Yvette und Yvonne – erst mal will ich ein Bier
und danach Miss Saigon.
CHEF IM RING:
Yvonne! Yvette! Mimi! Kim! Gigi!
Attention, s’il vous plaît!
Hier ist das Resultat: Miss Gigi van Tranh
ist die neue Miss Saigon!
G.I.s:
Saigon, du fieberst im Licht.
Die Dinge stehen nicht gut.
Doch diese Party stirbt lange noch nicht –
die Abschiedsparty im Blut.
CHEF IM RING:
Und – wer kriegt sie?
GIGI:
Nummer 66!
Du bringst mich nach Amerika, ja?
Bring mich nach Amerika!
EIN MARINE:
Mensch, laß mich in Ruhe!
GIGI:
Hilf mir bitte!
EIN MARINE:
Ich brauch’ deinen Scheiß nicht.
GIGI:
Du Arschloch! Du Schlappschwanz!
EIN MARINE:
Hey! Setz dich hin.
Ich will erst ein Bier!
Mein Märchenfilm vom Glück
GIGI:
Sie sind nicht nett. Wie laut sie sind.
Beim Fluchen Mann, beim Vögeln Kind.
In ihren Herzen wird’s nie warm,
doch immer spielt im Kopf,
wenn ich sie fest umarm’:
Mein Märchenfilm vom Glück.
Ein Traum bleibt stets zurück.
Ein Bild geht nie entzwei:
Für immer hält mich mein G.I.,
flieh’n von hier, weit und frei.
Der Film nimmt seinen Lauf,
die Leinwand wird zur Welt:
Er bringt mich nach New-York,
er gibt mir Schmuck und Geld.
Die Kinder eisbeschmiert,
ihr Lachen leicht wie Schaum!
Ein Leben wie ein Traum.
Traum – ich spiel’ in diesem Stück,
mein Märchenfilm vom Glück.
KIM:
Ich weine nicht, vergess’ mich ganz.
Sie sollen trinken, wenn ich tanz’.
Das bin nicht ich, die Liebe macht.
Wenn sie mir wehtun, Augen zu, und er erwacht:
KIM:
Mein Märchenfilm vom Glück
Der Traum, der zu mir spricht
Er, der kein Blut vergießt
MÄDCHEN:
Sie sind nicht nett, wie laut sie sind.
Beim Töten Mann, beim Sterben Kind.
Sie zahlen bar, mit Liebe nie.
Doch Nacht für Nacht die Melodie –
KIM:
er kämpft nur noch um mich.
Nein, er verläßt mich nicht,
und niemand kommt des Nachts,
der diesen Traum zerbricht.
Traum –
ich spiel’ in diesem Stück,
im Märchenfilm vom Glück.
MÄDCHEN:
Für immer hält mich mein G.I. –
Flieh’n von hier, weit und frei.
KIM:
In eine ferne Welt,
wo nichts das Herz bedrückt.
Mein Märchenfilm vom Glück.
Mein Gott, warum?
CHRIS:
Kommt für Saigon nie die Schlafenszeit?
Warum verströmt sie Orangenduft?
Wie kann’s mir gutgeh’n bei soviel Leid?
Wie kann sie kühl sein?
Hier steht die Luft!
Vietnam – die Antwort hierauf, gibst du sie?
Nur Fragen, und sie enden nie.
Mein Gott! Warum heut’?
Ich bin durch hier, Abschiedszeit.
Hier gibt’s nichts, was mich bleiben macht –
was schickst du mir nun diese Nacht?
Wer ist sie, die hierher mit mir schlich?
Zurück im Schmutz – was nur such’ ich hier?
Warum bewegt ihre Stimme mich?
Schlechtes Parfüm – ich bin high von ihr!
Vietnam – auch wenn ich nicht sehr höflich bin:
Warum macht nichts hier jemals Sinn?
Mein Gott, zeig mir’s an,
daß auch ich’s verstehen kann
. Ich kannte Girls, die wußten mehr –
und bin verwirrt wie nie vorher.
Nein, Gott, laß mich ganz.
Wie ihr helfen? Keiner kann’s.
Mir war so klar, woran ich war,
doch nun ist sie da, wenn ich fahr’…
Kam nach Haus ohne Sieg.
Keiner sprach da vom Krieg.
Was das Fernsehen auch zeigt,
hatte nichts zu tun mit Wirklichkeit.
Stieg ein zweites mal ein.
In Saigon wird man Schwein.
Mittenrein ins Getümmel
Fahrer für die Botschaft sein.
Weil hier, wer sich nur’n bißchen rührt,
ein Leben wie ein König führt,
aber nur solang, wie
er nichts in sich spürt –
Warum dies Gesicht?
Soviel Schönheit – träum’ ich nicht?
Hab’ viel erlebt, doch mehr war’s nie,
Doch nun, wenn ich geh’, gibt es sie –
nur sie.
Sonne und Mond
KIM:
Du die Sonne und ich Mond.
Dort wo der Gott des Glücks wohnt,
stört uns die Zeit nicht.
Dunkel und Licht,
wir sind erwählt, du und ich.
CHRIS:
Dein Geheimnis betört mich.
In meiner Welt
käme nichts deiner Anmut nur nah.
Was nur im Licht einer Nacht mit
uns Zwei’n geschah?
KIM:
Schon erhebt sich der Tag.
CHRIS:
Wie weich das Mondlicht fällt.
KIM:
Der Vogel spricht…
CHRIS:
… im Sternenlicht.
KIM:
Wie bebe ich –
CHRIS:
Ich brauche dich…
BEIDE:
… Wie zwei Hälften der Welt!
KIM:
Du die Sonne und ich Mond,
eins hier,
hell wird der
Himmel, wenn Liebe spricht.
BEIDE:
Sonne
eins mit
Mondlicht.
Die letzte Nacht der Welt
CHRIS:
Nirgends scheint hier Platz für Gefühl,
Leben hier ist grausames Spiel –
doch ich fand dich,
doch ich fand dich.
KIM:
Eine Welt, die rasend sich dreht,
eine Welt, wo nichts lang besteht –
doch ich halt’ dich,
ich halte dich.
CHRIS:
Nichts bleibt wie’s war,
schon am nächsten Tag.
KIM:
Heut’ nacht bedroht uns kein Trommelschlag.
CHRIS:
Und die Musik ist erwacht,
weht durch die Nacht,
ein Lied
singt uns ein Solosaxophon,
verrückter Ton…
KIM:
Verlor’ner Ton.
BEIDE:
Ein Schrei, der uns erzählt,
daß Liebe siegt.
So singt das Solosaxophon.
Es sagt zu mir:
Halt ihn (sie) ganz sacht
und tanz, als wär’s die letzte Nacht der Welt.
CHRIS:
Wo jetzt Sonne scheint und nicht Mond,
gibt’s ein Leben, das sich noch lohnt.
Und ich zeig’s dir.
KIM:
Ich geh’ mit dir.
CHRIS:
Du wirst vor so vielen Wundern steh’n,
Wir werden alles gemeinsam sehn.
BEIDE:
Wenn wir zusammen sind, dann
fängt es neu an: Ein Lied
singt uns ein Solosaxophon,
verrückter Ton, verlor’ner Ton,
ein Schrei, der uns erzählt,
daß Liebe siegt.
So singt das Solosaxophon,
es sagt zu mir:
Halt ihn (sie) ganz sacht
und tanz, als wär’s die letzte Nacht der Welt.
KIM:
Träume in der Dunkelheit…
CHRIS:
Träume, sie werden Wirklichkeit.
BEIDE:
Ganz egal, wo wir sind,
niemals ist es weit:
Das Lied –
– singt uns ein Solosaxophon,
drum bleib bei mir und halt mich sacht
und tanz,
als wär’s die letzte Nacht der Welt.
Die Dämmerung des Drachens
VOLK – ERSTE GRUPPE:
Er wuchs durchs ganze Land,
wie eine Feuerwand, der Brand.
Fraß, was dem Recht im Wege war,
legte in Asche hundert Jahr’.
Die Dämmerung des Drachens
hat das Licht gebracht.
Wir hetzten einen Tiger,
aus Papier gemacht.
Dämmerung kam mit
klarer Glut
und Blut.
ERSTE GRUPPE:
Und jeder schloß sich an,
durch Krieg Genossen:
Frau und Mann.
Wahrheit, die unbesiegbar,
Trat in den Staub einhunder Jahr’.
Die Dämmerung des Drachen
hat das Licht gebracht.
Wir hetzten einen Tiger,
aus Papier gemacht.
Dämmerung kam mit
klarer Glut
und Mut.
ZWEITE GRUPPE (gleichzeitig):
Sieg des Volks!
Sieg des Volks!
Sieg des Volks!
Die Dämmerung des Drachen
riß die Mauern ein.
Bruder fand zu Bruder
in der neuen Zeit.
Tod in der Dunkelheit
durch Mut.
ERSTE GRUPPE:
Er wuchs durchs ganze Land,
wie eine Feuerwand, der Brand.
Fraß, was dem Recht im Wege war,
legte in Asche hundert Jahr’.
ZWEITE GRUPPE (gleichzeitig):
Sieg des Volks!
Sieg des Volks!
Sieg des Volks!
DRITTE GRUPPE (gleichzeitig):
Ihr Kinder merkt
euch gut:
Die Wahrheit wird
zur Flut.
ALLE:
Die Dämmerung des Drachens
hat das Licht gebracht.
Wir hetzten einen Tiger,
aus Papier gemacht.
Dämmerung kam mit
klarer Glut
und Blut.