Do You Hear the People Sing? – Les Misérables









Der Handel

Thénardier

Herr, was nun, solch ein Schreck

Nehmt Ihr uns unser Goldkindchen weg?

Unser Glück! Unser Schatz!

Keiner liebt so wie wir diesen Spatz!

Liebe war’s! Nicht nur Pflicht!

Klein-Cosettchen verschachert man nicht!

Ach, Fantine, kannst nicht sehn,

deinem Kind ist nur Gutes geschehn.

Es vertraut uns ja blind,

so als wärs unser eigenes Kind! Unser Kind,
Monsieur!

Valjean

Das alles spricht für Euch, mein Herr.

Damit die Trennung leichter fällt –

sprechen wir nicht von Handel und Geld und
Gier,

ich hoffe doch, Euch reicht das hier?

Madame
Thénardier

Wir wär’n quitt, Euch sei Dank,

aber leider, sie war so oft krank.

Das schluckt mehr als man denkt,

Medizin wird weiß Gott nicht verschenkt.

Doch daran sparten wir nicht.

Das versteht sich, das ist Christenpflicht!

Thénardier
und Frau

Eines noch. Nehmt’s nicht krumm.

Hier schleicht mancher Halunke herum.

Ihr seid sehr drauf erpicht.

Eure Absichten kennen wir nicht…

Valjean

Schweigt jetzt still. Ich bezahl

fünfzehnhundert für all Eure “Qual”.

Komm, Cosette, Abschiedszeit,

wir woll’n fort von hier, schleunigst und
weit.

Für Cosette vielen Dank.

Euer Schmerz dauert sicher nicht lang.



Schaut her (Die Bettler)



Bettlerchor

Schaut her und seht die Lumpen und das Leid,

schaut her und habt Erbarmen, wenn ihr könnt.

Schaut her und seht

den Abschaum unsrer Zeit.

Schaut her, schaut her,

bevor ihr weiterrennt!

Gavroche

Wer seid denn ihr? Gavroche bin ich,

dies ist mein Volk und mein Revier.

Gibt euch de Anblick einen Stich?

Dann seid so gut und zahlt dafür!

Dies sind die Unteren Zehntausend

von Saint Denis bis Saint Michel

Ihr amüsiert euch bratenschmausend,

wir schlagen uns ums Rattenfell.

Bis du arm,

bist du Tier.

Kommt mit mir! Kommt mit mir!

Bettlerchor

Schaut her und habt Erbarmen, wenn ihr könnt.

Schaut her, schaut her, bevor ihr weiterrennt!

Bettlerin

Halt’ ich es denn aus?

Zeit, daß du erkennst:

weg von meinem Pflasterstein

du muß viel lernen hier.

Junge
Prostituierte

Alte Fledermaus,

blödes Nachtgespenst.

Ich zumindest geb’ den Herr’n

ein bißchen Spaß dafür!

Bettlerin

Jeder hat von dir

Schmerzen, wenn er pißt.

Jeder, der dich anfaßt,

liegt am Ende in der Kist’!

Zuhälter

Laß die alte Kuh.

Such dir’n andern Strich.

Ganz früher war sie Nutte,

heute ist sie nicht ganz dicht.

Bettlerchor

Endet das denn nie?

Soll das weitergeh’n?

Etwas muß passieren, Leute,

etwas muß gescheh’n…

Aber schnell! Aber schnell!

Aber schnell! Aber schnell!

Aber schnell! Aber schnell!

Aber schnell!

Enjolras

Wo sind die hocherlauchten Herr’n,

die unser Land zum Abgrund führ’n.

Marius

Ein Mann allein und zwar Lamarque

spricht aus, was alle Menschen spür’n!

Bettlerchor

Kinder brauchen Brot, Schuhe an den Zeh’n

1.
Straßenkind

Herrgott, hilf uns aus der Not,

dein Wille soll gescheh’n

2.
Straßenkind

Es soll endlich gescheh’n

Alle

Soll gescheh’n, soll gescheh’n, soll
gescheh’n.

Marius

Lamarque ist krank, erschöpft und blaß

hat keine Chance mehr, wird gesagt.

Enjolras

Wann explodiert das Pulverfaß?

Wie lange noch bis zum Großen Schlag!

Bis alle Feisten ihren Schöpfer seh’n?

Bis unsre Barrikaden steh’n?

Bettler

Schaut her und habt Erbarmen, wenn Ihr könnt.

Schaut her, schaut her, bevor Ihr weiterrennt!




Stern

Javert

Dort – draußen im Dunkel,

ein sündiger Flüchtling,

heillos und wild,

heillos und wild.

Gott sei mein Zeuge:

Ich werde nicht ruh’n,

bis sein Los sich erfüllt,

bis sein Los sich erfüllt.

Im Schatten findet er Schutz,

mein ist der Weg unsres Herrn.

Dem, der folget dem Pfad der Gerechten,

hilft der Herrgott gern.

Doch wer da fällt

wie Luzifer fiel…

Dem leuchtet

kein Stern!

Stern hoch am Himmelszelt –

wer kann dich zählen?

Finsternis füllst du

mit Ordnung und Macht.

Hütest die Herden hier,

schweigend und klar,

du hältst Wacht in der Nacht,

du hältst Wacht in der Nacht.

Noch eh’ Sein Wort uns gebar

und bis zum Jüngsten Gericht,

gnadenlos glänzend

tust du deine Pflicht

und du änderst dich nicht.

Doch wenn du fällst wie Luzifer fiel,

verzehrt dich das Licht.

Und so soll es sein, so steht’s geschrieben

an den Pforten zur Seligkeit,

daß die, die straucheln, dafür bezahl’n

in Ewigkeit.

Laß mich ihn finden

daß ich ihn bringe

wohin er gehört.

Ich geb niemals auf

so lang wie ich leb’

bei den Sternen, ich schwör’s.



Rot und Schwarz (Das ABC-Café)



Combeferre: Die Kämpfer steh’n rund um die Notre Dame!

Feuilly: Auch Rue du Bac erwartet das Signal!

Courfeyrac: Nicht Studenten sind’s allein

jeder will der Erste sein,

alle reichen uns die Hand!

Ganz Paris, das ganze Land!

Enjolras

Die Zeit ist nah.

gut, daß sich jeder in Ungeduld übt.

Doch seht euch vor:

Daß nicht der Wein die Sinne trübt!

Denn der Feind gegenüber ist listig und stark.

Er hat Männer und Waffen wie wir nur im Traum.

Alle sitzen und reden und fühln sich im Recht,

doch die Garde des Königs beeindruckt das
kaum.

Wir sind bereit

uns alle zu sammeln

mit Hoffnung und Mut,

doch noch ist’s nicht so weit.

Marius! – Na endlich.

Joly

Was fehlt dir, Freund?

Du siehst so mitgenommen aus!

Grantaire: Komm, trink, und sag, was dir geschah.

Marius

Ein Engel kam, ein guter Geist,

der dich aus jeder Trauer reißt,

ein Blitz – schon war sie nicht mehr da!

Grantaire

Ich glaub, ich hab’

es mit den Ohr’n!

Freund Marius hat sein Herz verlor’n?

Plötzlich sieht die Welt so weiblich aus!

Komm runter, Kleiner, hier ist Krieg!

Schwärm nicht vom Casanovasieg!

Wir sind hier nicht im Opernhaus!

Enjolras

Endlich ist es soweit,

wird Geschichte gemacht.

Hier geht’s nicht um den Spaß

von verwöhnten Flanieren der Nacht.

Hat sich jeder gefragt,

welchen Einsatz er wagt?

Wer noch geh’n will, soll geh’n

daß sich keiner beklagt!

Die Farben dieser Welt

soll’n leuchten, wenn es tagt…

Rot – das Blut ist heiß und jung!

Schwarz – die schwere Leidenszeit!

Rot – die Morgendämmerung!

Schwarz – die Nacht verliert den Streit!

Marius

Hättest du sie gesehn,

könntest du mich verstehn –

dieser Schock bis ins Mark

bei dem Anblick von ihrem Gesicht!

Hättest du sie gesehn –

wär’ dir Gleiches geschehn’ –

wie die Welt sich erhellt

durch eine Ladung Licht…

und alles, was dich quält,

nun kümmert es dich nicht!

Grantaire: Rot…

Marius: …die Glut des Augenblicks!

Grantaire: Schwarz…

Marius: …sind Einsamkeit und Tod!

Studenten: Rot…

Marius: …die Farbe meiner Not!

Studenten: Schwarz…

Marius: …die Farbe meiner Not!

Enjolras

Marius, nur ein Kind spricht wie du.

Ich glaubte, du gehörst dazu.

Doch uns hier ruft ein großes Ziel.

Was schert uns jetzt dein Liebesleid?

Wir kämpfen für die neue Zeit.

Ein kleines Leben zählt nicht viel!

Die Studenten mit ihm

Rot – das Blut ist heiß und jung!

Schwarz – die schwere Leidenszeit!

Rot – die Morgendämmerung!

Schwarz – die Nacht verliert den Streit!

Enjolras

Sag, Courfeyrac, sind die Gewehre da?

Feuilly, Combeferre, die Zeit wird langsam
knapp.

Grantaire, wirf die Flasche fort?

Sind sie Waffen schußbereit?

Grantaire

Schütt mir Branntwein in den Schlot

und ich hauch sie alle tot!

Courfeyrac: In St. Antoine steh’n alle wie ein Mann!

Combeferre: In Notre Dame zählt jeder Pflasterstein.

Feuilly: Zwanzig Flinten, gut wie neu!

Gavroche: Hört mal!

Joly: Zwanzig Schuß für jeden Mann!

Gavroche: Hört doch mal her!

Jean Prouvaire: Vierzig Schuß hat
Port St. Cloud!

Gavroche: Alle mal herhören

Lesgles: Sieben Flinten St. Martin!

Gavroche: General Lamarque ist tot.

Enjolras:

Lamarque ist tot.

Lamarque – sein Tod wird für uns zum Fanal.

Der Mann des Volks.

Sie Tod ist das Angriffssignal!

Sein Begräbnis wird zeigen, wie sehr man ihn ehrt.

Es erhebt sich ein Schlachtruf, wie’s niemals
geschah.

Durch den Tod von Lamarque wird die Flamme
genährt.

Alle fühlen: Der Tag der Erlösung ist da.

Die Zeit ist reif!

Heißen wir sie willkommen mit Hoffnung und
Mut.

Heißes Herz! Und die Straßen pulsieren wie
Blut,

bald schon werden wir frei!

Alle strömen herbei

wie ein einziger Schrei!





Das Lied des Volkes

Enjolras

Hörst du, wie das Volk erklingt?

Von unsrer Wut erzählt der Wind.

Das ist die Symphonie von Menschen,

die nicht länger Sklaven sind!

Jedes Herz schlägt, wie es kann,

unsere Herzen trommeln laut.

Alles fängt ganz von neuem an,

wenn der Morgen graut!

Combeferre

Wenn die Barrikade ruft,

dann bebt der Feind vor unserm Schrei.

Wir bauen eine Welt

ganz ohne Haß und Tyrannei.

Courfeyrac

Drum schließt euch uns an,

jede Frau, jeder Mann, und seid frei!

Chor

Hörst du, wie das Volk erklingt?

Von unsrer Wut erzählt der Wind.

Das ist die Symphonie von Menschen,

die nicht länger Sklaven sind!

Jedes Herz schlägt, wie es kann,

unsere Herzen trommeln laut.

Alles fängt ganz von neuem an,

wenn der Morgen graut!

Feuilly

Wenn du kämpfst mit ganzer Kraft,

hat bald ein Ende alle Not.

Mancher wird dahingerafft,

stirbt einen ehrenvollen Tod.

Die Erde von Frankreich:

Vom Blut unsre Helden hellrot!

Chor

Hörst du, wie das Volk erklingt?

Von unsrer Wut erzählt der Wind.

Das ist die Symphonie von Menschen,

die nicht länger Sklaven sind!

Jedes Herz schlägt, wie es kann,

unsere Herzen trommeln laut.

Alles fängt ganz von neuem an,

wenn der Morgen graut!



Schon so lang (Rue Plumet)



Cosette

Was nun?

Ich fühle mich wie gerade erst gebor’n.

Was tun?

Hat jemand je so schnell sein Herz verlor’n?

Was ist bloß mit dir los, Cosette?

Vielleicht warst du zu oft allein?

So vieles bleibt verhüllt

und schweigt mich an wie Stein.

Schon so lang

hab ich so viele Fragen, doch Antworten

finde ich nicht.

Schon so lang

hör ich tief in der traurigsten Stille

ein Seufzen, ein fernes Gedicht.

Es verspricht eine Welt ohne Raum und Zeit,

furchtbar weit und doch unsagbar nah,

für mich bereit…

Weiß er, daß es mich gibt?

Oder hoff’ ich zuviel?

Sah er auch, was ich sah?

Ob er fühlt, was ich fühl?

Viel zu lang,

viel zu lang schon allein,

doch die Liebe kommt

endlich zu mir.

Finde mich. Find mich hier.

Valjean

Sag, Cosette,

du mußt sehr einsam sein.

Wie grübelnd, wie traurig scheinst du mir.

Doch glaub mir, ach, wär’ es mir gegeben,

Ich füllte dir dein Leben.

Wie trostlos ist das, ich versteh’,

wenn ich alleine mit dir geh’.

Cosette

Warum hast du mir nie

die Geschichte erzählt

von dem Kind das ich war,

von der Zeit, die dich quält?

Warum schweigst du dich aus

von dem Leben davor?

Warum gräbst du dich ein

und verschließt unser Tor?

Was schläft in deiner Brust,

was du verbergen mußt?

Du bist gut.

Du erfüllst jeden Wunsch,

eh er in meinen Augen erscheint.

Doch Papa, cher Papa,

für dich bin ich noch immer das Kind,

das im Wald nach dir weint.

Valjean

Sag kein Wort.

Sag kein Wort, das erneut an uns frißt.

Worte gibt’s,

die man besser verschweigt,

besser vergißt.

Cosette

Viel zu lang

war ich hilflos und klein,

ich will endlich die Wahrheit erfahr’n

aus den Jahr’n… all den Jahr’n.

Valjean

Wirst versteh’n.

Gott enthüllt das Geheimnis

im rechten Moment,

du wirst seh’n.

Marius

Was geschah?

Sie erstürmte mein Herz mit der Macht,

die auch Himmel gewinnt!

Und mein Leben steht still,

als ob etwas vorbei ist

und etwas gerade beginnt.

Eponine,

du bist wirklich ein wahrer Freund.

Nur durch dich geht die Sonne mir auf,

und schau wie sie scheint!

denn ich schwebe auf Wolken, so leicht und so
frei.

Eponine

Jedes Wort, daß er sagt,

reißt mein Leben entzwei!

Nie zuvor

hab ich solch einen Menschen gekannt,

doch er läßt mich allein.

Fragte er – wär ich sein!

Marius
& Eponine
: Komm zu mir

Ich bin hier und ich seh’n mich nach dir.

Marius: Sie ist nah.

Eponine: …ist schon da…




Mein
Herz ruft nach Dir

Marius

Mein Herz ruft nach dir,

mein Herz wird mir schwer –

ich mache alles ganz verkehrt,

wenn du verzeihst

ich weiß noch nicht mal, wie Du heißt!

So ein Gesicht –

ohne dich leb ich nicht.

Cosette

Mein Herz ruft nach dir,

ganz gleich, was geschieht.

Marius: Ich heiße Marius Pontmercy.

Cosette: Und ich Cosette.

Marius: Cosette – ein Name wie ein Lied.

Cosette: Ein Lied für dich.

Marius: Meinst du mich?

Cosette: Ewig dich!

Marius: Mein Herz ruft nach dir…

Beide: …mein Herz fliegt dir zu…

Marius: Kann es denn wahr sein? Ich und du?

Cosette! Cosette!

Cosette: Wenn ich dich nicht gefunden hätt’!

Marius: Ich bin da…

Cosette: …was geschah?

Marius: Mein Herz ruft nach dir.

Marius
& Cosette
: Mein Herz fliegt dir zu.

Marius: Vom ersten Blick an keine Ruh’.

Cosette: Was ich auch tu…

Marius: …dir ganz nah.

Cosette: Für dich da.

Marius
& Cosette

Es ist nicht nur ein Traum,

nein kein Traum.

Komm, sag ja.

Eponine (gleichzeitig)

Niemals wollte er’s von mir.

Keinen Blick hat er dafür

Niemals spricht er so mit mir,

nicht mit mir,

nicht mit mir, nicht mit mir.

Sein Herz ruft nach ihr.

Nein, sein Herzt ruft

nicht nach mir.



Der Überfall



Montparnasse

Dies ist sein Loch,

der alte Fuchs, er ist schlau.

Claquesous: Er läßt sich kaum einmal seh’n

Babet: Er bleibt hübsch unten im Bau.

Brujon: Riecht nach Beute hier

Thénardier

Zehn Jahre her,

er hat Cosette weggekauft.

Er hat sie billig gekriegt,

hab mir das Haar ausgerauft.

Jetzt bezahlt er mir.

Brujon

Mir doch egal,

wie du dich rächst.

Hauptasche ist

daß du dann blechst!

Thénardier

Du hältst dein Maul.

Hilf mir da rauf!

Babet: Wen ha’m wir hier?

Thénardier: Wer ist die kleine?

Babet

Bloß dein Balg Eponine.

Was will die hier, warum

schleicht sie dir um die Beine?

Thénardier

Eponine, hau schon ab!

Merkst du nicht, daß du störst?

Dies hier tun wir alleine.

Eponine

Ich kenn dies’ Haus.

Ich sag euch: Da drin gibt’s nicht zu hol’n.

Nur das Mädchen und der Mann,

die bewachen keinen Schatz.

Thénardier

Weg, und zwar gleich!

Spinnst du total?

Sonst wirst du von

mir über’s Knie gelegt.

Brujon: Sie wird ja weich.

Claquesous: Das ist normal.

Montparnasse: Hau ab, ‘Ponine.

Hau ab, du bist im Weg.

Eponine: Laßt sie in Ruh’! Oder ich schrei gleich!

Thénardier: Bist du wohl still! Oder ich hau dich windelweich.

Claquesous

Darf doch nicht wahr sein!

Hat man sowas geseh’n?

Die Göre nimmt es sich raus, uns

eine Nase zu dreh’n!

Brujon: Keinen Laut will ich hör’n!

Eponine Gut, ihr wollt es nicht anders.

Werdet schon sehen…

Thénardier

Warte, du Biest!

Das ging zu weit!

Ich hau dich blau!

Das tut dir leid!

Die wird von mir

fertiggemacht.

Nehmt die Kanäle,

taucht in die Nacht!

Marius

Was sie vertrieb – war das dein Schrei?

Wieder ‘Ponine – tapfer und treu!

Liebste Cosette, meine ‘Ponine

führte mich hier zusammen mit dir!

Schritte, ganz nah.

Fort! Doch ich bin

bald wieder da.





Der Aufbruch

Valjean

Mein Gott, Cosette!

Was für ein schrecklicher Schrei!

Ich hörte viele laute Stimmen in der Nacht.

Cosette

Das war mein Hilferuf, Papa.

Ich hatte Angst und war allein.

Sie hörten mich und sie rannten fort

Valjean

Cosette, mein Kind, was wird nun aus uns
zwei’n?

Cosette

Jenseits der Mauer sah ich sie,

drei Männer in der Dunkelheit.

Valjean

Nein, meine Ruhe find’ ich nie.

Jetzt holt uns ein die alte Zeit.

Bestimmt Javert!

Er hat mich endlich gestellt!

Ich bring’ Cosette in Sicherheit,

die geben nicht auf!

Lebenslang gejagt von Schatten,

und sie kommen wieder her.

Gleich morgen nach Calais

und dann ein Schiff und über’s Meer.

Mach schon, Cosette, pack alles ein,

frag nicht wofür!

Ich will ja nur dein Glück.

Mach schon, Cosette, wir schließen hinter uns
die

Tür und kommen nie zurück.



Morgen schon



Valjean

Morgen Schon!

Ein neuer Tag – und doch, die Angst bleibt da

auf meinen langen Weg nach Golgatha.

Die Kerle kennen mein Geschick

Und sicher kommen sie zurück –

morgen schon!

Marius

Ich hab nicht gelebt bis heut’,

wie kann ich leben, wenn du fort bist?

Valjean: Morgen schon.

Marius
& Cosette
Schon morgen bist du furchtbar weit –

wenn alles, was mir bleibt, dein Wort ist?

Eponine: Wieder einen Tag allein.

Marius
& Cosette
: Werden wir uns wiederseh’n?

Eponine: Noch ein Tag, an dem er wegschaut.

Marius
&
Cosette:
Denn ich lebe nur für dich.

Eponine: Niemals wird er bei mir sein.

Marius
& Cosette
: Halt mich fest und glaub an mich.

Eponine: Nie hat er an mich geglaubt!

Enjolras: Nur ein Tag bis zum Orkan!

Marius: Folg ich ihr, wohin sie geht?

Enjolras: Barrikaden künden Freiheit!

Marius: Brauchen mich die Brüder hier!

Enjolras: Morgen bricht die Wahrheit an!

Marius: Wenn ich bleib – was wird aus mir?

Enjolras: Wißt Ihr wo Ihr hingehört?

Chor: Die Zeit ist reif. Der Tag ist nah.

Valjean: Morgen schon!

Javert

Soll’n sie kommen, diese Schuljung’s

wir geh’n kennen auf den Leim!

Einen Tag bis zur Revolte,

wir ersticken sie im Keim.

Valjean Morgen schon!

Die
Thénardiers

Was für ein Gewühl.

Morgen sind sie tot.

Morgen gibt’s Gefühl

im Sonderangebot.

Nehmt sie auf den Arm!

Faßt in ihren Latz!

Morgen abend sind sie

alle abgekratzt!

Chor (2
Gruppen)

1: Morgen schon ein neuer Anfang…

2: …hebt die Freiheitsfahne hoch…

1: der das Recht für alle bringt…

2: die das Recht für alle bringt.

1: Harmonie und neuer Einklang…

2: hört ihr, wie die Menschheit singt?

Beide
Gruppen
: Hört ihr, wie die Volk erklingt?

Marius:
Mein Platz ist hier. Ich kämpf mit euch.

Valjean: Morgen schon.

Marius
& Cosette

Ich habe nicht gelebt bis heut

Eponine: Wieder einen Tag allein.

M &
C
: wie kann ich leben, wenn du fort bist?

Javert (gleichzeitig)

Ich verkleide mich als Volksheld,

ich verfolge jeden Schritt.

Ich will wissen, was sie wollen,

mach zum Schein das Spielchen mit.

Valjean: Morgen schon!

Marius
& Cosette

Schon morgen bist du furchtbar weit

Eponine: Niemals wird er bei mir sein…

M &
C:
wenn alles, was mir bleibt, dein Wort ist?

Javert (gleichzeitig)

Einen Tag bis zur Revolte,

Wir ersticken sie im Keim.

Soll’n sie kommen, diese Schuljungs…

Die
Thénardiers
(gleichzeitig)

Was für ein Gewühl.

Morgen sind sie tot.

Morgen gibt’s Gefühl

im Sonderangebot.

Valjean

Drum fliehe, wer noch leben mag,

schon morgen ist der Jüngste Tag.

Alle

Denn morgen wird sich zeigen,

ob uns Gott für unser Leid belohnt.

Morgen früh

oder nie!

Morgen schon!





2. Akt

Nur für mich

Eponine

Und wieder bin ich ganz allein,

ein Botengang mit Höllenquallen.

Ich will kein Geld von Euch, mein Herr,

das ist mit Geld nicht zu bezahlen.

Die Nacht ist schon so nah –

fast könnt’ ich glauben, er wär da.

Ich ziehe oft allein umher,

wenn alle andern Menschen schlafen.

Wie oft hab ich von ihm geträumt,

und daß wir uns im Dunkel trafen.

Der Mond am Himmelszelt

führt mich in meine eigne Welt.

Nur für mich,

im Stillen ist er bei mir.

Ganz allein durchwachen wir die Nächte.

Dann fühl ich:

Sein ferner Arm berührt mich,

und wenn ich mich verlauf, schließ ich die
Augen

und er führt mich.

Regen fällt, die Straße fließt wie Silber.

Nebel steigt, im Fluß verweh’n die Lichter.

Dunkle Bäume, die Zweige schwer von Sternen,

und alles was ich seh, sind unsre ewigen
Gesichter.

Doch ich weiß, es kann ja nie gescheh’n,

denn ich red nur mit mir selbst und nicht mit
ihm.

Ja, ich weiß, er hat mich überseh’n,

ganz egal, ich muß zu ihm steh’n.

Ich lieb ihn,

doch geht die Nacht vorüber,

ist er fort. Der dunkle Fluß wird trüber.

Er fehlt mir – die Welt verliert die Farben,

die Bäume kahl, die Menschen fahl,

die Straßen voller Narben.

Ich lieb ihn,

doch täglich muß ich sehen,

wie er lebt, als hätt’s mich nie gegeben.

Sein Leben wird ohne mich vergehen.

Die Welt ist voller Seligkeit und ich darf
nicht hinein!

Ich lieb ihn – ich lieb ihn – ich lieb ihn

doch nur für mich allein.



Siegen oder untergeh’n

Combeferre,
Feuilly,

Courfeyrac,
Prouvere

Hier geloben wir: Die Barrikade hält.

Marius

Laß sie kommen in Scharen,

wir reiben sie auf!

Enjolras

Was heute geschieht,

verändert die Welt.

Grantaire

Wir hau’n sie zusammen,

verlaßt euch darauf.

Combeferre

Jezt und hier fängt es an!

Courfeyrac

Und wenn’s mich erwischt, wo sich Menschen
befrei’n –

wo’s am heißesten hergeht,

dort werd’ ich sein!

Feuilly

Euch beerdigen wir.

Wir sind hier!

Armeeoffizer

He, ihr Verrückten, hört zu, was ich sag!

Keiner greift ein, wenn man euer Fell gerbt!

Ihr seid allein

und ohne Freund.

Ergebt euch – oder sterbt!

Enjolras

Siegen oder untergeh’n!

Sie soll’n unsre Volksmacht seh’n!

Enjolras und Studenten

Siegen oder untergeh’n!

Sie soll’n unsre Volksmacht seh’n!



Javert an die Barrikade

Posten
(Joly):
Er ist zurück.

Javert

Freunde, hört her.

Ich hab alles geseh’n,

ihre reihen steh’n dicht,

die Reserven sind groß,

nein, ich irre mich nicht.

Sei’n wir gewarnt!

Ihre Feuerkraft reicht,

uns zu Leibe zu geh’n,

jede List wird gebraucht,

um den Kampf zu besteh’n.

Enjolras

Habt Mut!

Wenn du all ihre Pläne kennst,

steht’s für uns gut.

Wir sind stark, doch auf unsere Art.

Wir besiegen Regimenter.

Javert

Ich hab’ alles mitgehört.

Sie greifen nicht mehr an heut’ nacht.

Erst mal hungern sie uns aus,

doch dann eröffnen sie die Schlacht.

Jedes Sturmgeschütz

wird nach rechts gebracht.



Wir Kleinen

Gavroche

Lügner!

Ich grüße Sie, Inspecktor,

und ich freue mich sehr.

Ich kenne diesen Schuft,

er heißt Inspektor Javert!

Drum glaubt ihm bloß kein Wort, er lügt,

sobald er nur spricht.

Ich bin zwar ziemlich klein

doch hintergeht man mich nicht!

Wir kleinen können mehr,

sind flinker als der Blitz.

Seh’n aus wie leichte Beute,

doch wir beißen spitz!

Drum trete keinen Hund,

auch wenn’s ein Welpe ist.

Wir kämpfen, bis uns jeder

aus den Händen frißt!

Und der Welpe frißt Euch auf

wenn er erwachsen ist.



Der Regen (Eponines Tod)



Eponine

Keine Angst, Monsieur Marius,

ich bin nicht mehr in Not.

Der Regen färbt mich rot,

doch tut er mir nicht weh.

Ihr helft – ich könnt’ vor Glück verglüh’n.

Ihr schützt mich vor der Nacht,

Ihr haltet mich ganz sacht

und Regen läßt die Blumen blüh’n.

Marius

Ich brauche dich, ‘Ponine, ich geb die Welt,

wenn meine Liebe dich am Leben hält.

Eponine

Umarmt mich nur, und grämt Euch nicht.

Streichelt mich, tröstet mich.

Marius

Leben sollst du hundert Jahr’,

du hattest es so schwer.

Ich geb dich nicht mehr her.

Eponine

Der Regen schmerzt nicht mehr.

Der Regen wäscht mein Leben rein.

Ihr schützt mich vor der Nacht,

Ihr haltet mich ganz sacht.

Ich schlaf in Euren Armen ein.

Der Regen hat Euch mir

so nah gebracht.

Der Mond hat sich

vom Nebel freigemacht.

Ich atme Eure Nähe ein,

fast zu schön, um wahr zu sein.

Eponine

Keine Angst, Monsieur Marius,
ich bin nicht mehr in Not.
Der Regen färbt mich rot,
doch tut er mir nicht weh.
Ich könnt’ vor Glück verglüh’n.
Ihr schützt mich vor der Nacht,
Ihr haltet mich ganz sacht

Marius (gleichzeitig mit ihr)

Schlafe, meine Eponine.
Du bist nicht mehr in Not.
Der Regen färbt dich rot,
doch tut er dir nicht weh.
Ich helf…
…und ich komm mit dir
in deine Träume…

Eponine:
und Regen

Marius:
und Regen

Eponine:
läßt die Blumen…

Marius:
läßt die Blumen… blüh’n…





Jean Valjean auf der Barrikade

Joly:

Hier kommt ein Mann in Uniform.

Was willst du bei uns? Sprich!

Valjean: Ich schleiße mich dem Aufstand an.

Joly: Komm her, zeig dein Gesicht!

Posten: Warum trägst du Soldatenrock?

Valjean: So ließ man mich hier rein.

Joly: Ihr seid nicht mehr ganz jung, mein Herr.

Valjean: Ich kann euch nützlich sein.

Joly: Schaut euch den Gefangenen an.

Grantaire: Freiwilig kam auch er!

Combeferre: Ein Spitzel! Sagt, er heißt Javert.

Courfeyrac: Er ist ein toter Mann.

Posten: Sie kommen! Zeit, daß man sie grüßt!

Enjolras: Nehmt dies und legt gut an.

Und wer uns in den Rücken schießt,

hat wenig Freud dran.



Der erste Angriff

Posten
1:
Ein Zug Pioniere im Anmarsch auf die Barrikade!

Posten
2
: Infanterie hinter ihnen! Fünfzig Männer oder mehr!

Enjolras: Feuer!

Stimme: Scharfschütze



Trinkt mit mir

Feuilly

Trinkt mit mir auf all die Zeit.

Singt mit mir, die Nacht ist weich.

Prouvaire: Träumt von all den Mädels, die man gern hätt’.

Joly: Denkt an all die Mädels in eurem Bett.

Alle: Trinkt auf sie und trinkt auf euch!

Grantaire

Trinkt mit mir auf all die Zeit.

Schließlich ist der Tod nicht weit!

Wer wird an dich denken,

wenn du krepierst?

Kann es sein, daß du

kein Schwein interessierst?

Heldentraum – und Wirklichkeit

Alle

Trinkt mit mir auf all die Zeit.

Auf den Tag und auf das Licht.

Frauen: Daß den Schrein der Freundschaft keiner betrügt.

Männer: Daß der Wein der Freundschaft niemals versiegt!

Alle: Trinkt auf dich und trinkt auf mich.

Marius

Bald schon fährt sie über’s Meer,

heut’ empfängt mein Herz den Stich.

Nur mit dir, Cosette,

erwärmt sich die Welt.

Fühlst du Schmerz, Cosette,

wenn Marius fällt?

Ob du weinst, Cosette,

um mich?



Bring ihn heim

Valjean

Herr, mein Gott,

hör mein Fleh’n.

Steh mir bei,

laß kein Unrecht gescheh’n.

Er ist jung,

laß ihn zieh’n.

Hilf ihm auf,

segne ihn.

Bring ihn heim.

Bring ihn heim.

Bring ihn heim.

Er rührt mich wie mein eigner Sohn,

hätt’ Gott mir einen Sohn gewährt.

Die Sommer flieh’n,

unbeschwert

verfliegen sie

um mich her,

und ich bin alt

und bleib nicht mehr.

Laß ihn blüh’n,

liebesblind.

Segne ihn,

er ist fast noch ein Kind.

Herr, du nimmst,

Herr, du gibst,

doch du schützt

die du liebst.

Meinen Leib geb ich hin,

laß ihn zieh’n,

bring ihn heim,

bring ihn heim,

bring ihn heim.



In der Kanalisation

Thénardier

Ha, da grinst das Gold

frech aus dem Gebiß.

Ihr versteht, Monsieur,

mir nützt es ungleich mehr als Euch.

Morgen bring ich’s an den Mann.

Nochmals vielen Dank.

Pfeif’ auf den Gestank.

Leichenduft im Rattenloch,

die Hölle haucht dich an,

doch du gewöhnst dich schnell daran.

Auch hier muß einer nach dem Rechten seh’n.

Kannst du mir ruhig glauben,

gar nicht nötig, daß du grienst.

Jemand muß für die Ordnung geradesteh’n.

Bin im öffentlichen Dienst.

So ein schicker Ring,

fesches kleines Ding,

wenn ich den nicht greife,

bin ich wirklich strafbar dumm.

Edler Herr, mein Dank ist groß

Feiner Glitzerdreck,

nehm’s den Buben weg,

sein Herzchen schlägt nicht länger,

seine Erdenzeit ist um.

Doch die Uhr tickt tadellos.

Auch hier muß einer nach dem Rechten seh’n,

bevor die kleine Ernte

wegschwimmt im Kloakensud.

Sowas läßt Thénardier nicht untergeh’n,

wenn die Gosse trieft vor Blut.

Schöne Welt, wo du Reißzähne brauchst,

Sieger bleibt nur das gierigste Tier.

Und Gott in der Höhe,

der mischt sich nicht ein,

der ist tot wie der Kerl hier vor mir.

Ich such in Wolken nach dem Himmel

und finde doch nur den Mond,

hier scheint den Beutemond.



Javerts Selbstmord

Javert

Was für ein Mann!

Was für ein teuflischer Plan!

Er stellt mir Fallen, und dann –

dann fängt er nichts damit an!

Denn seine Stunde war da,

besiegelt war mein Geschick,

alles was war

bekommt man einmal zurück.

Kurzer Prozeß,

nur ein Stich und ein Schrei,

die Rache war sein – und er ließ mich wieder
frei!

Nein, ich leb nicht in der Schul eines Diebs,

die Jagd ist aus, doch ich wahr’ mein Gesicht.

Ich bin das Recht und das macht man nicht
schelcht,

spuck’ auf sein Mitleid – ich brauche es
nicht!

Es gibt nichts, was gemeinsam uns wär’.

Es heißt: Entweder ich – oder er!

Hat dieser furchtbar fremde Mann

schon über meinem Sinn Gewalt?

Der Mann, den ich so glühend jagte,

war gnädig zu mir, gab mir die Freiheit.

Ich sollt’ vergeh’n durch seine Hand,

das war sein Recht.

Mein Recht war nur mein eigner Tod,

jedoch ich leb’… im Höllennot.

Alles dreht sich in mir.

Kann man diesem Mann trau’n?

Schenkt ihm Gott seine Gnade?

Wird den Himmel er schau’n?

Wird nun der Zweifel mich verzehr’n,

der all die Jahre mich nicht fand?

Mein Herz aus Stein beginnt zu beben,

die Ordnung der Welt versinkt im Schatten.

Schickt ihn der Satan, schickt ihn Gott?

Kann er versteh’n?

Durch sein Erbarmen heute nacht

muß ich erst recht zugrunde geh’n.

Ich verlier’ den letzten Halt,

die Gestirne schwarz und kalt,

ringsumher die nackte Nacht

droht in gräßlicher Gestalt.

Ich quittiere meinen Dienst

in der Welt des Jean Valjean,

hier bleibt nichts für mich zu tun,

bricht kein neuer Morgen an….



Weiter

1. Frau: Saht auch ihr die

Kinder geh’n zur Schlacht?

2. Frau: Barrikadenkinder, wie sie starben letzte Nacht?

3. Frau: Saht auch ihr sie

liegen blutbefleckt?

Jemand sang auch sie in Schlaf

und hat sie zugedeckt.

4. Frau: Sei verflucht, wer Kinder niederstreckt!

5. Frau: Keiner weckt sie.

6. Frau: Keiner holt sie her.

2. Frau: Blutig kann der Sommer sein,

umsonst und sorgenschwer.

7. Frau: Lauter Schuljungs

vor dem ersten Kuß.

Kämpfen für die Zukunft,

weil die Wahrheit siegen muß…

3.
Frau:
Was bleibt übrig nach dem letzten Schuß?

4.
Frau:
Nichts wird anders. Alles bleibt sich gleich.

8.
Frau:
Jedes Jahr ein neues Balg, wir sorgen dann für
euch.

7. Frau: Weiter geht es, Tränen sind verkehrt.

6. Frau: Warum soll’n wir beten, wenn uns niemand dabei hört?

Frauen(Alle): Weiter, weiter, weiter trifft se jeden, der sich wehrt.

Weiter, weiter, weiter wie es war.

Stunden werden Tagen und schon wieder flieht
ein Jahr.

Nichts wird anders. Nichts fällt in den Schoß

Schnell dreht sich das Karussell und wieder
geht es los.

Schneller – und die Schatten werden groß!



Dunkles Schweigen an den Tischen

Marius

Dieser Schmerz kennt keinen Namen,

niemand bringt sie wieder her.

Dunkles Schweigen an den Tischen,

meine Freunde sind nicht mehr.

Hier erhob sich ihre Flamme,

hier ergriff sie Mann für Mann.

Hier besangen sie die Zukunft,

doch die Zukunft brach nicht an.

Von dem Tisch dort tief im Winkel

schauten sie die neue Welt,

und ihr Lied stieg hoch zum Himmel,

ich vernehm’ sie noch,

denn jedes Wort hat sie geeint

zum Abendmahl der Freundschaft

für den Barrikadentod als Held.

Meine Freunde, seid mir gnädig,

ich vermisse euch so sehr.

Dieser Schmerz kennt keinen Namen,

niemand bringt euch wieder her.

An den Fenstern starr’n Gespenster,

werfen Schatten in den Raum.

Dunkles Schweigen an den Tischen,

keiner teilt mit mir den Traum.

Meine Freunde, fragt mich niemals,

ob sich solch ein Opfer lohnt.

Dunkles Schweigen an den Tischen,

weil kein Freund die Nacht bewohnt.



Jeden Tag

Cosette

Jeden Tag

Denken wir an die Nacht,

die uns ewig gemacht.

Mein Herz ruft nach dir,

nach dir jede Nacht.

Das Schicksal hat

es wahrgemacht,

ein Traum ward wahr –

durch alle Stürme und Gefahr!

Marius

Ihr, Mademoiselle,

seid mein Stern – klar und hell.

Cosette

Mein Herz ruft nach dir.

So froh war ich nie:

“Ich heiße Marius Pontmercy”…

Marius: Cosette, Cosette.

Cosette: Vom ersten Blick an keine Ruh’.

Marius: Was ich auch tu –

dir ganz nah.

Cosette: Für dich da.

Marius
und Cosette

Es ist nicht nur ein Traum,

es ist Wirklichkeit – komm, sag ja.

Valjean (gleichzeitig)

Halten kann und darf ich nicht.

Sie ist jung, ich muß versteh’n.

Frei blüht die Liebe, blüht das Glück.

Laß sie geh’n. Laß sie geh’n.

Ein Herz voll Vertrau’n

ist mein Hochzeitsgeschenk.



Die Hochzeit

Chor

Nun läutet ein, denn heute soll Hochzeit sein!

Heut gibt’s für zwei vom Himmelreich ein
Stück!

Die Engel jubeln, was könnt’ schöner sein?

Und krönen diesen Tag mit Glanz und Glück.

Majordomus

Baron und Baronesse de Thénard wünschen dem
Bräutigam ihre Aufwartung zu machen!



Bettler
ans Buffet

Thénardier

Ich lach’ mich tot!

Ich glaub’, ich spinn’!

Vornehmstes Pack

und mich mittendrin!

Hier kommt ein Prinz,

dort geht ein Jud’.

Der da ist schwul,

doch sonst geht’s ihm gut.

Ganz Paris ist mein,

ganz Paris hat Gicht

Und ich? Ich freß mich durch

durch die Oberschicht…

Bettler ans
Buffet!

Das ist unser Tanz!

Leben kann so schön sein,

aber leb’ es ganz!

Alle sind mondän,

alle sind bigott.

Immer hübsch gesittet,

aber längst bankrott!

Sonntags wird Herrn Gott befohlen,

daß er’s ihnen wolgeh’n läßt.

Thénardier und Madame Thénardier

Doch wird sind die, die’s raffen,

die, die’s immer schaffen, das steht fest!

Los, ihr Lumpen, tanzt!

Wackelt mit dem Kropf!

Wir behalten immer

unsern klaren Kopf!

Wir die wahren Herr’n –

ist das nicht ein Hohn?

Wenn die Barrikaden fall’n:

Wir warten schon!

Ganz egal, woher der Wind weht –

Geldgeruch ist stets dabei.

Warum soll ich nicht reich sein?

In der Hölle sind noch Plätze frei!



Epilog



Valjean

Nun bist du da

an meiner Seite

nun kann ich ruhig geh’n,

mein Leben ist erfüllt…

Cosette

Du bleibst hier, Papa, du bleibst bei mir,

viel zu früh für deine letzte Ruh’.

Valjean

Ja, Cosette, verbiet mir’s immerzu,

ich gehorch,

ich versuch’s.

Dies Papier

es erzählt mein Geständis.

Lies es gut

wenn ich mich niederlege.

Es berichtet

von denen, die dich lieben.

Die Mutter gab ihr Leben hin

und dich in meine Pflege.

Fantine

Komm mit mir,

verlaß das Tal der Schmerzen.

All dein Leid

fällt endlich dir vom Herzen.

Gott im Himmel,

sei gnädig deinem Diener

Valjean

Vergib mir meine Sünden, Herr,

und schenke mir den Frieden.

Fantine
and Eponine

Hand in Hand –

so geh’n wir zur Erlösung.

Liebe bleibt –

denn Liebe nur ist ewig.

Valjean,
Fantine, and Eponine

Und vergeßt nicht,

die Wahrheit steht geschrieben –

zu lieben einen Menschen heißt:

Das Antlitz Gottes seh’n.

Ensemble

Hört ihr, wie das Volk erklingt,

tief in dem Tal der Dunkelheit?

Das ist die Symphonie von Menschen

auf dem Weg in hell’re Zeit.

Für die Schwachen dieser Welt

brennt eine Flamme, die sie eint.

Finsterne Nächte geh’n vorbei

und die Sonne Scheint.

Einst erreichen wir den Garten,

den das Unrecht uns verwehrt.

Wir marschieren hinter Pflugschar’n

und zerbrechen stolz das Schwert.

Wir sprengen die Ketten

und jedem was jedem gehört.

Wollt ihr, daß der Sieg gelingt?

Seid ihr bereit und steht uns bei?

Hinter den Barrikaden winkt

uns eine Welt, gerecht und frei!

Hört ihr, wie das Volk erklingt?

Hört ihr den fernen Trommelschlag?

Es ist die Zukunft, die er bringt,

und der neue Tag!

Wollt ihr, daß der Sieg gelingt?

Seid ihr bereit und steht uns bei?

Hinter den Barrikaden winkt

uns eine Welt, gerecht und frei!

Hört ihr, wie das Volk erklingt?

Hört ihr den fernen Trommelschlag?

Es ist die Zukunft, die er bringt,
und der neue Tag.
Der neue Tag!

Les Misérables Index