Ein Review über meinen Besuch am 6. März 1999
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Es ist ein sehr schönes, großes Theater. Alles wurde in schwarzen und roten Farben gehalten, was dem
Stück entspricht und für die richtige Atmosphäre sorgt. Viele Darsteller nennen die Produktion in Bremen “the drag queen version” wenn sie ihre Show mit der am Broadway vergleichen, ganz einfach deshalb, weil man hier im Vergleich zu New York die Show mit wahnsinnig vielen, aufwendigen Spezialeffekten aufgepusht hat. Darüber kann man denken wie man will, hier und da passt es ganz gut und man kriegt auf jeden Fall was zu sehen und darauf kommt es einem Großteil des deutschen Publikums wohl an. Naja, beeindruckend sind die Licht- und Laser effekte schon. Aber nun zur Show an sich: Sie ist sehr nahe an der Version angelegt, die mit Anthony Warlow und Linda Eder auf CD aufgenommen wurde (ein weiterer Unterschied zu New York, wo die Produktion sehr davon abweicht ). |
Zur Cast: Glücklicherweise hatte ich Ethan als Dr. Jekyll / Mr. Hyde. Darüber war ich auch froh, da es
bisher keinen offiziellen Spielplan gibt, doch an den Wochenenden werden wohl 2 Shows von Ethan & 2
von der alternativ Besetzung Darius Merstein gespielt werden. Herr Merstein soll nach Aussagen von sehr
vielen Besuchern ebenfalls eine Idealbesetzung sein. Aber zu Ethan: Er war fantastisch. Von der ersten
Sekunde überzeugte er total. Seine Trauer um den totkranken Vater war sehr bewegend, er zeigte, dass er
auch toll Schauspielern kann, denn dass er ein phänomenaler Sänger ist, war mir schon lange klar, aber er
beweist es in Bremen mal wieder, obwohl er bei “Ich muss erfahren” nur ganz leicht angestrengt klang, als
er die Spitzentöne erreichte. Wie ich hörte soll er 2 Tage vorher krank gewesen sein, was die fast
unbemerkbaren Anfangsschwächen erklären würde.
Sein “Dies ist die Stunde” brachte das Publikum zum Toben und der Applaus wollte gar nicht aufhören.
Sein Jekyll war sehr charmant und auch witzig und romantisch, wenn er mit Lisa zusammen war.
Gleichzeitig war er aber sehr verbissen, wenn er im Labor arbeitete. Als Hyde ist er weiterhin großartig,
besonders die erste Verwandlung wirkt erstaunlich echt. Man möchte glauben, dass in dem Moment, in
dem er sich wieder zum Publikum dreht, ein anderer Mann auf der Bühne steht. Er bewegt sich
vollkommen anders und verzieht das Gesicht dermaßen, dass einem Schauer über den Rücken laufen.
Sein Hyde ist weniger der bedrohliche Verführer, er ist ein abartiges, durch und durch böses, perverses
Monster, und das in einer hervoragenden Art und Weise.
“Das Gefühl von Edward Hyde” (Alive) war super, er macht den Stimmunterschied der beiden Personen
deutlich, aber ohne unnötig zu übertreiben. So makaber es auch klingen mag, bei “Mörder” legt er die
Leute sehr schön um 🙂 Was mich doch verwirrte ist die Tatsache, dass er bei “Die Welt ist völlig irr” an
zwei Seilen über der Bühne schwebt. Es soll Jekylls Wahnsinn darstellen, aber das hätte man auch mit
weniger hinkriegen könne. Ein überflüssiger Einfall der Regie, der zeigt, dass man es mit der
Bühnentechnik auch übertreiben kann. Die Konfrontationsszene hat dann am Ende wirklich auch dem
größten Zweifler den Atem geraubt. Es waren die 3 spannendsten Minuten, die ich je in einem Theater
verbracht habe, ich konnte kaum sitzen bleiben. Deshalb versuch ich gar nicht erst, die Szene genau zu
beschreiben, es gibt einfach keine Wörter dafür…Natürlich bekam Ethan am Ende den größten Applaus
und standing ovations, doch das war auch seiner Bühnenpartnerin Lyn Liechty zu verdanken. Diese junge
Künstlerin hat eine unglaublich schöne Stimme und das Publikum verliebte sich sofort in sie. Ihr “Schafft
die Männer ran” war super und “Ein neues Leben” war einer der absoluten Höhepunkte der gesamten
Abends.
Neben Ethan & Lyn fiel die Leistung von Susanne Dengler als Lisa leider etwas schwächer aus, da sie oft an die Grenzen ihrer sängerischen Fähigkeiten stieß. Ihr Solo war zwar sehr schön, aber alles in allem war sie nicht so bemerkenswert. Der Rest der Besetzung ist durchweg gut, erwähnt werden sollten noch Jürgen Wagner & Eberhard Storz, die sich als Utterson & Sir Danvers als hervorragende Schauspieler herausstellen, sowie Chris Morandi, der eine tolle Leistung in der undankbaren Rolle des Stride abgibt, undankbar, weil sie sehr klein ist und Herr Morandi hier zwar überzeugend spielt, aber seine sängerischen Fähigkeiten, die er zuvor als Marius & Enjolras in LesMis zeigte, kann er hier nicht oft genug unter Beweis stellen. Last but not least war Brigitte Oelken eine wundervolle Nellie. Es war eine absolut fantastische Show, vielleicht wäre es sogar ganz gut, wenn man einige der technischen Effekte rausnehmen würde und auf das große Talent aller Darsteller vertrauen würde. Auf jeden Fall werde ich mir die Show irgendwann noch einmal ansehen. Ethan ist einfach göttlich. |
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