Auch der Tod ist plötzlich da. Er geht dunch die zenden und beobachtet das Kaiserpaar. Als Elisabeth ihn bemerkt, verbeugt er sich grüßend. Elisabeth lächelt dem Tod verstohlen zu. Der Ballsaal versinkt im Halbdunkel. Schattenhaft tanzen einige Paare weiter, darunter auch Franz-Joseph und Elisabeth.
Die Musik wechselt. Der Tod steht mit einem Champagnerglas in der Hand am Rande des Ballsaals und blickt zu den Tanzenden.
Der Letzte Tanz
Tod:
-
doch neu für mich
Zwei, die dieselbe lieben –
nämlich dich.
Du hast dich entschieden
Ich hab’dich verpaßt.
Bin auf deiner Hochzeit nur der Gast.
Du hast dich abgewendet
Doch nur zum Schein
Du willst ihm treu sein,
Doch du lädst mich ein.
Noch in seinen Armen
lächelst du mir zu
Und wohin das führ’n wird
weißt auch du –
Der letzte Tanz
der letzte Tanz
gehört allein nur mir
Den letzten Tanz
den letzten Tanz
tanz ich allein mit dir
Die Zeit wird alt und müde
der Wein wird schal
Die Luft ist schwül und stickig
im Spiegelsaal
Unsichtbare Augen
seh’n uns beiden zu
Alle warten auf
das Rendezvous
Der letzte Tanz
der letzte Tanz
gehört allein nur mir
Den letzten Tanz
den letzten Tanz
tanz ich allein mit dir
Und so wart ich im Dunkeln
und schau zu dir hin
als der große Verlierer
Doch ich weiß
ich gewinn.
Der letzte Tanz
der letzte Tanz
gehört allein nur mir
Den letzten Tanz
den letzten Tanz
tanz ich nur mit dir
Es ist ein altes Thema
Tod & Ballgäste:
-
der letzte Tanz
gehört allein nur mir (dir)
Den letzten Tanz
den letzten Tanz
tanz (tanzt) ich (du) nur mit dir (ihr)
Der letzte Tanz
Andere Ballgäste: (gleichzeitig)
-
Zeitenwende
Alle Fragen sing gestellt
Wein em Ende
Der Tod geht ab. Lichtwechsel. Das Kaiserpaar ist scheinbar alleine. Elisabeth berührt mit zaghafter Zärtlichkeit Franz Josephs Wange.
Aus dem Dunkel von beiden Seiten Volk auf, gaffende Gestalten aus allen Bevölkerungsschichten. Mit einer Geste fordert Lucheni das Volk auf, sich dem Paar zu nähern.
Franz Joseph und Elisabeth umarmen sich. Ihr Liebesthema klingt auf. Die Gaffer recken die Hälse. Lucheni ahmt einen Jahrmarktsschreier nach. Mit einer einladenden Handbewegung ermutigt er die Gaffer, jedes Taktgefühl aufzugeben.
Lucheni:
-
Sie Zeuge, wie der Kaiser von Österreich seine Braut zur
Gattin macht. Der Vollzug der Ehe ist die Voraussetzung
für die Geburt des Thronfolgers. Deshalb, verehrtes
Publikum, ist diese Umarmung von öffentlichem Interesse…!
Treten Sie näher, meine Herrschaften. Werden
Elisabeth löst sich aus der Umarmung. Erschrocken blickt sie in die gaffenden Gesichter. Hastig zieht sie Franz Joseph weg, um an anderer Stelle mit ihm ungestört zu sein. Doch da stehen schon andere Gaffer. Daraufhin verzichtet sie auf weitere Zärtlichkeiten.
Elisabeth:
-
gäb’ es gar nichts, was und trennt.
Wenn du bloß kein Kaiser wärst,
Elisabeth drängt Franz Joseph zu gehen. Die Gaffer folgen feixend. Lucheni sieht dem Brautpaar nach.
Lucheni:
Das Vöglein ist in den Käfig geflogen, die Gittertür
wird zugemacht. Kann man’s dem Volk verdenken,
daß es das Tierchen besichtigen will? Eine Rarität, in
Freiheit geboren und noch nicht dressiert!
ELISABETHS GEMÄCHER IM SCHLOSS LAXENBURG
Ein paar Tage nach der Hochzeit. Es ist früher Morgen. Die Erzherzogin stattet ihrer Schwiegertochter einen nicht angekündigten Besuch ab. Begleitet von einer Hofdame, rauscht Sophie in das Apartement der Kaiserin. Elisabeths oberste Hofmeisterin, die Gräfin Esterházy-Lichtenstein, kommt Sophie mit unterwürfiger Miene entgegen. Verschlafen erscheint gleich darauf Elisabeth.
Eine Kaiserin muss Glänzen
Sophie:
- Wo ist die Kaiserin?
Gräfin Esterházy-Liechtenstein:
- Sie schläft noch, Hoheit!
Sophie:
Dann ist es höchste Zeit, sie aufzuwecken!
Die Gräfin Esterházy-Liechtenstein verschwindet. Erzherzogin Sophie erläutert ihrer Begleiterin den Zweck des Besuches.
Sophie:
-
Sie braucht noch manche Förderung.
Zeit, daß sie lernt, was sich gehört.
Zeit, daß sie jemand lehrt, sich zu fügen.
Sie ist verbauert ganz und gar.
Die Kaiserin ist noch sehr jung.
Hofdame:
Ganz recht!
Sophie:
Nimmt ihre Pflichten hier nicht wahr.
Hofdame:
Sehr schlecht!
Sophie:
-
sich selbst verliebt und nicht streng mit sich.
Eine Kaiserin muß glänzen
im Bewußtsein ihrer Pflichten.
Muß die Dynastie ergänzen
und verzichten.
Hat das Gehorchen nicht geübt, ist in
Hofdame:
In der Tat!
Elisabeth und die Gräfin Esterházy-Liechtenstein kommen aus dem Schlafzimmer. Elisabeth trägt nur ein Morgenrock über dem Nachthemd. Sie ist noch ziemlich verschlafen.
Elisabeth:
- Was ist denn los?
Sophie:
Mein Kind, man schläft hier nicht so lang.
Elisabeth:
- Warum?
Sophie:
Ich dulde keinen Müßiggang!
Elisabeth:
- Ich war so müde …
Sophie:
-
pünktlich beim Glockenschlag jeden Morgen
Um fünf Uhr früh beginnt der Tag
Elisabeth:
-
ich sollte mich heut mal ausruhn.
Aber Franz Joseph hat mit gesagt,
Sophie:
-
Ich weiß, daß du dich heut nacht geschont hast.
Ausruhn wovon? Ich hab gefragt.
Elisabeth:
Das kann nicht sein…
Sophie:
Das sagte ich auch –
Elisabeth:
… Er würde mich nicht an Sie verraten!
Sophie:
Vor mir hält mein Sohn gar nichts geheim.
Elisabeth:
Das ist nicht wahr!
Sophie:
Dann frag ihn doch selber…
Gibt ihrer Hofdame ein Zeichen. Diese geht ab, um Franz Joseph zu holen.
Elisabeth:
Das werd’ ich –
Sophie:
Er kam mit mir her!
Sie bemüht sich, sachlich zu bleiben.
Glaub mir, mein Kind, ich mein es gut.
Elisabeth:
Natürlich.
Sophie
Ich wünsche keinerlei Disput!
Elisabeth:
Ich auch nicht.
Sophie
-
dann bin ich schnell mit dir zufrieden.
Richte dich nach dem Zeremoniell,
Elisabeth:
Ich will heut’reiten –
Sophie
Wie ordinär!
Gräfin:
Und zu riskant!
Sophie:
Man trabt als Kais’rin nicht umher
Gräfin:
Wie degoutant!
Elisabeth:
- Warum den nicht?
Sophie:
-
was nach dem Protokoll streng verboten ist.
Weil man nicht soll
Sophie & Gräfin:
-
im Bewußtsein ihrer Pflichten
Muß die Dynastie ergänzen
und verzichten.
Zeig mir mal deine Zähne her!
Eine Kaiserin muß glänzen
Gräfin:
- Aus gutem Grund.
Elisabeth:
- Die Zähne?
Sophie:
Ja! Ist das so schwer?
Gräfin:
Offnen Sie den Mund!
Elisabeth seight Sophie die Zähne.
Sophie:
Die sind zu gelb, das darf nicht sein.
Elisabeth:
- Bin ich ein Pferd? –
Sophie:
- O nein!
- Jedoch ein Vorbild –
Elisabeth:
-
was ich auch will ist verboten –
Sie kritisier’n an mir nur herum
Sophie:
-
Du bist noch nicht gezähmt und gezogen!
Ich will, daß du zur Kaiserin wirst.
Elisabeth:
- Ich glaub’, Sie sind nur neidisch auf mich…
Sophie:
- Neidisch auf dich?!
-
Das ist wirklich komisch!
Franz-Joseph und die Hofdame betreten das Zimmer.
Elisabeth:
- Ich will…
Sophie:
- Lern erst mal bescheiden zu sein.
Elisabeth:
- Ich möchte…
Sophie:
- Nein!
Elisabeth:
-
sieh wir deine Mutter – mich quält!
Hilf mir, Franz-Joseph
Gräfin & Hofdame:
-
im Bewußtsein ihrer Pflichten
Muß die Dynastie ergänzen
und verzichten.
Eine Kaiserin muß glänzen
Sophie: (gleichzeitig)
- Uberlaß sie mir, mein Sohn.
-
Ich erzieh, ich erzieh sie schon.
Uberlaß sie mir, mein Sohn.
Ich erzieh sie schon.
Elisabeth: (gleichzeitig)
-
Hilf mir, laß mich nicht allein!
Sie quält mich, sie sperrt mich ein
Franz-Joseph:
-
doch es wär’besser für uns beide,
wenn du dem Rat von meiner Mutter folgst.
Ich stünde gern an deiner Seite,
Sophie:
- Sei streng!
- Sei stark!
Elisabeth:
- Also, läßt du mich im Stich…
Sie dreht sich abrupt um. Franz-Joseph macht Anstalten, ihr zu folgen, wird aber von Sophie zurückgehalten.
Ich Gehör nur mir
Elisabeth:
-
gezähmt und gezogen sein
Ich will nicht bescheiden
beliebt und betrogen sein
Ich bin nicht das Eigentum von dir
denn ich gehör nur mir.
Ich will nicht gehorsam
Die Gruppe im Zimmer steht regungslos im Halbdunkel.
-
herabsehen auf diese Welt
Ich möchte auf’s Eis gehn
und selbst sehn wie lang’s mich hält
Was geht es dich an was ich riskier
Ich gehör nur mir
Willst du mich belehren
dann zeingst du mich bloß
zu fliehn vor der lästigen Pflicht
Willst du mich bekehren
denn reiß ich mich los
und flieg wie ein Vogel in’s Licht
Und will ich die Sterne
dann finde ich selbst dorthin
Ich wachse und lerne
und bleibe doch wie ich bin
Ich wehr mich bevor ich mich verlier
Denn ich gehör nur mir
Ich will nicht mit Fragen
und Wünschen belastet sein
Vom Saum bis zum Kragen
von Blicken betastet sein
Ich flieh’ wenn ich fremde Augen spür’
Denn ich gehör nur mir
Und willst du mich finden
dann halt mich nicht fest
Ich geb meine Freiheit nicht her
Und willst du mihc binden
verlaß ich dein Nest
und tach’wie ein Vogel in’s Meer
Ich warte auf Freunde
und suche Geborgenheit
Ich teile die Freude
ich teile die Traurigkeit
Doch verlang nicht mein Leben
das kenn ich dir nicht geben
Denn ich gehör nur mir
Nur mir!
Ich möchte vom Drahtseil
Jahre voller Widrigkeiten und Schicksalsschläge folgen. Elisabeth fühlt sich im Stich gelassen. Die Gunst der Stunde nützend bietet sich der Tod als bessere Wahl an. Doch Elisabeth erliegt seiner Verführungskunst nicht. Zur Resignation ist sie zu jung. In ihre Melancholie mischt sich Trotz. Er wird zu Haß, als die Schwiegermutter ihr die eigenen Kinder entzieht.
STATIONEN EINER EHE
Auf einem Prospekt der Parkansicht des Schönbrunner Schlosses. Lucheni tritt als Filmvorführer auf, stellt Stativ und Vorführgerät hin und projiziert frühe Aufnahmen aus der österreichischen Kaiserzeit auf den Prospekt
Lucheni:
-
Hof zu sehn. Schließlich ist er abgeblitzt, man kann seinen
Groll verstehn. Drum: wenn trotz Milch und Honig ihr das
Leben hier nicht schmeckt, dann könnt’ es durchaus
möglich sein, daß er dahinter steckt.
Im ersten Ehejahr läßt sie der Kaiser viel allein. Was tut’s?
Ihr Papagei hat immer für sie Zeit.
Im zweiten Ehejahr kriegt sie ihr erstes Töchterlein und
wird von ihren Mutterpflichten prompt befreit.
Den Tod verdrießt es sehr, Elisabeth am Wiener
Der Prospekt öffnet sich und gibt in einem Ausschnitt den Blick auf eine Szene im Inneren des Schlosses frei: Elisabeth steht vor ihrem Papageienkäfig , ihr gegenüber die Erzherzogin Sophie samt Hofdamen und den Zofen. Dazwischen Franz Joseph.
Elisabeth:
Wo ist meine Kleine?
Sophie:
Ich nehme mich ihrer an!
Elisabeth:
Ich will mein Kind wiederhaben!
Sophie:
Du siehst es dann und wann.
Elisabeth:
-
Ausgerechnet Ihren Namen!
Ohne mich zu fragen, tauften Sie es Sophie. –
Sophie:
Ich kümm’re mich um sie!
Elisabeth:
-
quält mich in einem fort!
Jetzt hat sie mein Kind gestohlen –
sprich ein klares Wort!
Franz Joseph, deine Mutter
Sophie & Hofdamen: (gleichzeitig)
-
Sie kann kein Kind erziehn!
Sie ist ja selbst noch fast ein Kind –
Franz Joseph:
-
was sie tut! Hat mit Kindern viel Erfahrung, und sie
meint es gut.
Beruhig dich nur, mein Engel! Mama weiß,
Sophie & Hofdamen: (gleichzeitig)
Bedarf noch selbst der starken Hand – Am Kaiserhof von Wien.
Elisabeth:
Ich versteh, du stellst dich…
Franz Joseph:
Ich will keinen Streit…
Elisabeth:
… gegen mich!
Franz Joseph:
Versteh mich doch. Ich kann nicht anders.
Elisabeth:
Mein Kind! Ich will mein Kind!
Der Ausschnitt im Prospekt schließt sich wieder und die Szene verschwindet. Lucheni setzt seine Filmvorführungen fort.
Lucheni:
-
an. Die Mutter heult umsonst – das Kind wird requiriert.
Und langsam wird ihr klar, daß sie nur was erreichen kann,
wenn man von ihr was will und sie den Preis diktiert.
Im dritten Ehejahr kommt wieder eine Tochter
Erneut öffnet sich der Prospekt. Wir sehen das Eßzimmer des Kaiserpaares. An anderer der Bühne berät die Hofkamarilla.
Franz Joseph:
Auch deine Schönheit kann uns politisch nützlich sein.
Kamarilla: (außer Graf Grünne)
Ihre Schönheit kann uns nützen…
Grünne: (gleichzeitig)
-
mit der Knute niederzwingen…
Man muß die, die sich empören,
Franz Joseph:
Komm mit nach Ungarn, setz’ deinen Zauber für mich ein.
Kamarilla: (außer Graf Grünne; gleichzeitig)
… kann die Macht des Kaisers stützen
Grünne: (gleichzeitig)
-
um vom Hals sie abzubringen.
… und danach mit Charme betören,
Elisabeth:
-
Hol sie zuerst zurück.
Dann will ich dich gern begleiten im Dienst der Politik.
Ich möchte meine Kinder.
Kamarilla: (gleichzeitig)
Ungarn und Italien sind vernarrt in schöne Frauen…
Elisabeth:
Sie müssen mit mir reisen.
Franz Joseph:
Dafür sind sie zu klein.
Kamarilla: (gleichzeitig)
Österreich kann mehr denn je…
Elisabeth:
Mit ihnen oder gar nicht!
Franz Joseph:
Bitte, dann soll es sein.
Kamarilla: (gleichzeitig)
… auf Charme und Liebreiz bau’n.
Der Prospekt schließt sich, die Szene verschwindet. Die Hofkamarilla geht ab. Lucheni packt sein Vorführgerät zusammen.
Lucheni:
-
das Kaiserpaar nach Ungarn, wo jemand auf sie wartet.
Sie wissen schon wer? – Oder…?
So reist im vierten Ehejahr samt den zwei Kindern
Lucheni ab. Der Prospekt geht hoch und gibt den Blick frei auf den Schloßplatz von Debrezin am Abend. Franz Joseph und Elisabeth begrüßen eine Gruppe ungarischer Magnaten. Drei Aristokraten kommentieren den Auftritt Elisabeths mit gedämpften Stimmen.
Ein Junger Ungar:
Die Kaiserin ist schön.
Ein Ehemaliger Revolutionär:
Wie steht sie zu Ungarn?
Ein Älterer Aristokrat:
Sie liebt alles, was ihre Schwiegermutter haßt.
Ein Ehemaliger Revolutionär:
Dann wird sie uns unterstützen.
Ein Junger Ungar:
Sie sieht traurig aus.
Ein Älterer Aristokrat:
-
Sophie soll hohes Fieber haben.
Ihre Kinder sind krank. Die kleine
Ein Junger Ungar:
Die Sorge macht sie noch schöner.
Die Kutsche des Todes fährt herein. Der Tod steigt aus und geht auf Elisabeth zu. Auf sein Zeichen öffnet ein Todesengel die Tür der Kutsche. Man sieht in ihrem Innern einen offenen Kindersarg mit der Leiche der zweijährigen Sophie.
Elisabeth:
Nein!!
Der Tod fordert Elisabeth mit einer lasziven Geste auf, ihm zu folgen.
Tod:
-
als wir zwei im Tanze schwebten?
Du brauchst mich. Ja, du brauchst mich.
Gib doch zu, daß du mich mehr liebst,
als den Mann an deiner Seite.
Auch wenn du ihm scheinbar mehr gibst,
du ziehst ihn in die Nacht.
Weißt du noch, wie wir erbebten,
Das Licht hat sich unterdessen ganz auf den Tod konzentriert. Die Gruppe im Hintergrund verschwindet im Dunkel.
-
Es wird Abend, eh’ dein Tag begann.
Die Schatten werden länger.
Diese Welt zerfällt, halt dich nicht fest daran!
Die Schatten werden länger.
Elisabeth scheint einen Moment lang unentschlossen, bevor sie sich vor dem Tod zu Franz Joseph flüchtet. An ihm hält sie sich fest.
Verwandlung.
EIN WIENER KAFFEEHAUS
Lucheni also Kaffeehausober auf dem Weg von der Küche zur Gaststube.
Die Fröhliche Apokalypse
Lucheni:
Ma que cazzo voi! Die Welt geht unter, indubbiamente. In den Kaffeehäusern von Wien, weiß das jeder.
An Kaffeehaustischen sitzen verschiedene Intellektuelle. Sie lesen Zeitung, rauchen Zigarren, schreiben, spielen Schach, langweilen und unterhalten sich. Lucheni serviert und nimmt Bestellungen auf.
Professor:
Was steht im Feuilleton?
Journalist:
Wie schmeckt heut’die Bouillion?
Student:
Spielt irgendwer mit mir Skat?
Bohemien:
Mein Gott, ist mir wieder fad!
Poet:
-
Sie ißt nicht mer, seit sie ihr Kind verlor
Uns’re junge Kaiserin weint den ganzen Tag
Bohemien:
Noch eine Melange!
Lucheni:
Noch eine Melange!
Professor:
Schwanger ist sie wohl auch!
Journalist:
Sie zeigt nicht mehr den Bauch.
Lucheni & Poet:
-
schon den Erben für den Thron.
Zu lang enbehren wir
Journalist
Im Zirkus Renz war sie neulich zu Gast
Professor:
Der Mutter des Kaisers hat’s gar nicht gepaßt.
Alle ausser Lucheni:
-
wir sitzen im Kaffeehaus ‘rum
und erwaten gähnend die Apokalypse.
No, und wenn schon –
Lucheni:
-
Hocken da per ingannare il tempo.
Schlagen die Zeit tot. Tagaus, tagein.
Schwätzer! Wissen alles und nichts.
Poet:
Wieder ein Jahr vorbei!
Bohemien:
Das ist mir einerlei!
Professor: (in der Zeitung lesend)
Wir haben ein Konkordat!
Student:
Wer spielt heut mit mir Skat?
Journalist:
-
jedenfalls nicht in der Politik.
Unser junger Kaiser zeigt nicht viel Geschick,
Bohemien:
Noch einen Likör!
Professor:
Der letzte Krieg um die Krim hat uns neutralisiert.
Journalist:
Und jetzt ist Österreich politisch ganz isoliert.
Professor:
-
Und jetzt gibt es Krieg mit Piemont
Frankreich, England, Rußland stenh in einer Front
Alle auser Lucheni:
-
wir sitzen im Kaffeehaus ‘rum
und erwaten gähnend die Apokalypse.
No, und wenn schon –
Student:
Diesmal war es ein Sohn wer hätt’es geglaubt
Poet:
Und auch ihn hat man gleich der Mutter geraubt
Journalist:
Ich habe erfahr’n, sie mag die Magyarn!
Professor:
Denkt sie liberal?
Bohemien:
Ist sie radikal?
Alle auser Lucheni:
-
No, und wenn schon
gut für die Apokalypse
Sie ist eine seltsame Frau!
Lucheni:
-
hatte die Mutter im Wochenbett eine schreckliche Vision.
Sie sah rote Fahnen, Massen von Menschen
am Ballhausplatz mit Fäusten sie bedrohn.
Sie sah Barrikade und darauf den eigenen Sohn
als Führer der Revolution!
Als Rudolf zur Welt kam
Poet:
Herrlich exzentrisch!
Bohemien:
Schön dekadent!
Student/Professor:
Österreich braucht jetzt ein Parlament!
Alle:
-
wir sitzen im Kaffeehaus ‘rum
und erwaten gähnend die Apokalypse.
No, und wenn schon –
wir sitzen im Kaffeehaus ‘rum
und erwaten gähnend die Apokalypse.
No, und wenn schon –
Erste Gruppe:
Weil uns fad is, wil’s net schad is…
Zweite Gruppe: (gleichzeitig)
-
rauchen, pofeln, raunzen, zaudern
lesen, dösen, beim Kaffee!
Stieren, schnofeln, plauschen, plaudern
Dritte Gruppe: (gleichzeitig)
-
weil’s net schad is, weil, was g’maht is
und parat is g’schieht ja eh!
Wil uns fad is, desolat is…
ELISABETHS SCHLAFZIMMER
Eine Nacht im der Hofburg im Jahre 1865. Franz-Joseph steht im Hausmantel vor Elisabeths Schlafzimmertür, klopft, versucht einzutreten. Die Tür ist verschlossen.
Im Schlafzimmer sitzt Elisabeth an ihrem Sekretär und schreibt. Sie hört Franz-Joseph macht aber keinek Anstalten, ihn einzulassen.
Elisabeth, mach auf mein Engel
Franz-Joseph:
-
Mach auf mein Engel
Ich, dein Mann
sehn’ mich nach dir
Laß mich bei dir sein.
Hinter mir liegt ein Tag voll Problemen
Frankreich beginnt mir offen zu drohn
Skandale, die kein Ende nehmen
Staatsbankrott, Krieg und Revolution
Eine Selbstmordwelle
neue Typhusfälle
Hilf mir einzuschlafen
so wie ein Schiff im sicher’n Hafen
von deiner Zärtlichkeit bewacht
und ohne Wunch für eine Nacht
Elisabeth?
Er kann sich nicht erklären, warum sie ihm nicht öffnet. Er lauscht an der Tür, bevor er einen neuen Versuch macht…
-
Laß mich nicht warten
Sie die Frau
die mich versteht
Elisabeth!
Nun öffne mir
Elisabeth hat aufgehört zu schreiben. Sie dreht sich auf ihrem Stuhl in Richtung Türe um.
Elisabeth:
-
Sie war dir auch sonst immer lieber –
Warum gehst du nicht zu deiner Mutter?
Franz-Joseph:
Engel –
Elisabeth:
Verschon mich!
Franz-Joseph:
Was hab ich getan?
Elisabeth steht auf und geht mit dem Schriftstück in der Hand zur Tür.
Elisabeth:
Du läßt zu, daß Rudolf gequält wird.
Franz-Joseph:
Rudolf? Gequält?
Elisabeth:
-
Deine Mutter gab ihn
ihrem Folterschergen
Ich hab alles erfah’n
Franz-Joseph:
Sie läßt ihn erziehn
Elisabeth:
-
Doch ich werd mir das
nicht länger ansehn
Entweder sie oder ich!
Er kann sich nicht wehrn
Sie öffnet die Tür und hält Franz-Joseph das Papier mit ihrem Ultimatum hin. Franz-Joseph ergreift es und sieht es verständnislos an.
Elisabeth: (Fs)
Ich habe ein förmliches Ultimatum aufgesetzt. Wenn du mich nicht verlieren willst, erfüll’ es. Ich möchte selbst über die Erziehung meiner Kinder bestimmen. Und von nun an will ich entscheiden, was ich tue und lasse. Lies mein Schreiben und entscheide dich: Für deine Mutter oder mich. Und jetzt laß mich allein.
Elisabeth schließt heftig die Tür. Franz-Joseph betrachtet benommen das Schriftstück, wendet sich ab und geht ins Dunkel.
Im Schlafzimmer steht auf einmal der Tod. Elisabeth erschrickt, als sie ihn sieht.
Tod:
-
sie nicht verzweifelt
Ruh dich aus in meinem Arm.
Ich will dich trösten.
Flieh, und du wirst frei sein
und alles kämpfen wird vorbei sein.
Ich führ dich fort aus Raum und Zeit
in eine bess’re Wirklichkeit
Elisabeth!
Elisabeth!
Ich liebe dich…
Elisabeth
Abrupt wehrt sich Elisabeth gegen die Versuchung.
Elisabeth:
-
Ich bin zu jung, um aufzugeben
Ich weiß, ich kann mich selbst befrein
Jetzt setz ich meine Schönheit ein
Geh!
Ich will dich nicht!
Ich brauch dich nicht!
Geh!
Nein! Ich möchte leben
Mit einer entschiedenen Geste weist sie den Tod ab. Dieser weicht zurück und verschwindet im Nichts.
MARKPLATZ IN WIEN
Ein früher Herbstmorgen. Zwischen geschlossenen Marktbuden warten Arbeiter, Hausfrauen und Dienstboten auf die Öffnung des Milchladesn. Die Tür der Milchausgabe wird endlich einen Spalt briet geöffnet und eine Hand hängt ein offenbar häaufig benutztes Shild an einen Nagel. Sofort schließt sich die Tür wieder. Die Wartenden werden unruhig. Lucheni liest vor, was auf dem Schild steht.
Milch
Frauen:
-
Warum wird uns nicht aufgemacht?
Wann gibt’s endlich Milch?
Lucheni: (liest)
Heute keine Lieferung!
Männer:
-
Die Kanne leer, wie so oft
Umsonst gefror’n und gehofft
die halbt Nacht.
Wieder umsonst.
Menge:
-
Jemand betrügt uns
Jemand hält uns für dumm!
Wir müssen hungern –
andere lungern in den Palästen ‘rum…
Shluß!
Jemand belügt uns
Lucheni spingt auf ein Faß und hetzt die Menge auf.
Lucheni:
Wollt ihr wissen, we die Milch euch nimmt?
Menge:
Sag wer?
Lucheni:
Die ganze Milch ist nur für sie bestimmt!
Menge:
Für wen?
Lucheni:
Für eure Kaiserin! Sie braucht fsie für …
Menge:
Für was?
Lucheni:
…ihr Bad!
Menge:
Was?
Lucheni:
Ja!
Frauen:
Was für ein Skandal!
Lucheni:
Ein Skandal!
Frauen:
Das hätt’ich nie von ihr geglaubt.
Lucheni:
Das hättet ihr nie von ihr geglaubt!
Männer:
Kinder sterben, weil’s keine Milch gibt für sie…
Lucheni:
Keine Milch für die Kinder!
Männer:
…während sie badet darin…
Lucheni:
Sie badet darin!
Männer:
…und uns beraubt!
Menge:
-
Man muß verjagen
die uns in’s Unglück führ’n
Was nützt das Klagen?
Lucheni:
Verjagt, die euch ins Unglück führ’n!
Menge:
-
die uns nicht schonen –
laßt sie die Volkswut spür’n!
Weg mit den Drohnen
Lucheni:
Laßt sie die Volkswut spür’n!
Menge:
Schluß!
Lucheni:
Wollt ihr hören, was die Kaiserin quält?
Menge:
Sag, was?
Lucheni:
Wenn sie ihrem Kamm die Haare zählt…
Menge:
Wie das?
Lucheni:
…weint sie vor Kummer, denn sie trauert um…
Menge:
Um was?
Lucheni:
…ihr Haar!
Menge:
Was?
Lucheni:
Ja!
Menge: (erste Gruppe)
Zeit, sich zu wehren!
Lucheni:
Höchste Zeit!
Menge: (zweite Gruppe; gleichzeitig)
Nie mhr arm und reich!
Menge: (erste Gruppe)
Wir woll’n sie lehren…
Lucheni:
Wir woll’n sie lehren…
Menge: (zweite Gruppe; gleichzeitig)
Hört das Signal…
Menge: (erste Gruppe)
…daß man uns nicht verlacht!
Lucheni:
Laßt euch nicht mehr verhöhnen!
Menge: (zweite Gruppe; gleichzeitig)
…zur letzten Schlacht!
Menge: (erste Gruppe)
Brot für die Armen!
Lucheni:
Kämpft um eure Menschenwürde!
Menge: (zweite Gruppe; gleichzeitig)
-
Und wer nicht arbeiten will…
Jeder ist gleich!
Menge: (erste Gruppe)
Recht statt Erbarmen!
Lucheni:
Krieg den Palästen!
Menge: (zweite Gruppe; gleichzeitig)
…der hat kein Recht über uns…
Menge: (erste Gruppe)
Nieder mit jeder Macht!
Lucheni:
Freiheit für das Volk!
Menge: (zweite Gruppe; gleichzeitig)
…und keine Macht!
Menge:
-
Es ist so weit!
Schluß mit dem Leid!
Sagt Ja!
Brüder, seid bereit!
Menge & Lucheni:
Die neue Zeit ist da –
ELISABETHS ANKLEIDEZIMMER
Spiegel, Frisiertisch, offene Kleiderschränke. Im Hintergrund ein großer Paravant, hinter dem Elisabeth badet und Toilette macht.
Die Gräfin Esterházy-Lichtenstein gibt der Friseuse und den Kammerzofen Anweisungen. Zwei der Zofen tragen Milchkannen hinter den Paravant. Eine weitere Zofe bereitet die Badetücher vor, die Friseuse mischt vor einer Anrichte das Shampoo für die bevorstehende Haarwäsche der Kaiserin.
Gräfin Esterházy-Lichtenstein:
-
Senkt euern Blick, wenn ihr euch naht.
Und gießt behutsam und gemach
heiße Milch
nach und nach
in die Wanne.
Die Gräfin klatscht in der Hände.
Sind ihre Tücher parfümiert?
Die Kaiserin ist schon im Bad.
Erste Zofe: (präsentiert die Badetücher)
Und gekreppt!
Gräfin Esterházy-Lichtenstein:
Ist das Shampoo schon angerührt?
Friseuse: (präsentiert das Shampoo)
-
Zuerst den Cognac, dann das Ei-
aud jedes Glas
jeweils drei
Nach Rezept:
Gräfin Esterházy-Lichtenstein:
-
Uns’re Kais’rin soll sich wiegen
kämmen, pflegen und erfrischen
statt sich in die Staatsintrigen
einzumischen.
So verlangt sie es!
Zofen: (gleichzeitig)
-
Staunen verbreiten
Schön vor den Leuten
Schön für den Ehemann!
Schön soll sie schreiten
Zofen und Friseuse eilen zwischen Paravant und den Beistelltischen etc. hin und her.
Gräfin Esterházy-Lichtenstein:
Das Rosenwasser – wunderbar.
Friseuse:
Sechs Studen muß ich sie frisier’n.
Gräfin Esterházy-Lichtenstein:
Das macht die Augen hell und klar.
Zweite Zofe:
Sie läßt sich täglich manikür’n.
Gräfin Esterházy-Lichtenstein:
-
muß bitte
unbedingt
vom Filet sein
Den Fleischsaft, den sie mittags trinkt
Andere Zofen: (gletichzeitig)
-
und ihr die Brauen retouchier;n
Das Kalbfleisch muß in dicker Schicht
übreall auf’s Geseicht.
Man muß die Muskeln sanft massier’n
Gräfin, Friseuse & Zofen:
-
kämmen, pflegen und erfrischen
statt sich in die Staatsintrigen
einzumischen.
Uns’re Kais’rin soll sich wiegen
Zofen: (gletichzeitig)
-
Staunen verbreiten
Schön vor den Leuten
Schön für den Ehemann!
Schön soll sie schreiten
Alle sehen zur Tür, durch die überraschend Franz-Joseph das Ankleidezimmer betritt.
Gräfin Esterházy-Lichtenstein:
Der Kaiser!
Erste Zofe:
- Was?
Zweite Zofe:
- Der Kaiser?
Dritte Zofe:
Hier – in den Gemächern der Kaiserin?
Gräfin Esterházy-Lichtenstein & Erste und Zweite Zofe:
Um diese Zeit?
Die Übrigen Zofen:
Seltsam, noch nie kam der Kaiser um diese Zeit!
Alle verbeugen sich.
Franz Joseph:
Wo ist die Kaiserin? Ich muß sie sprechen!
Gräfin Esterházy-Lichtenstein:
-
Aber sie können mit ihr sprechen.
Siebefindet sich hinter dem Paravant. Sie kann Sie hören.
Sie hat ihre Toilette noch nicht beendet, Majestät.
Die Gräfin Esterházy-Liechtenstein Gibt den Zofen ein Zeichen, sich zu entfernen. Zofen, Friseuse und Gräfin ab. Die Feiseuse befindet sich noch hinterm Paravant.
Ich Will Dir Nur Sagen
Franz Joseph:
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ich geh auf dein Schreiben ein.
Ich kann nicht ertragen,
von dir nicht geliebt zu sein.
Was immer du willst, ich geb’ es dir,
bevor ich dich verlier.
Und willst du bestimmen,
wer Rudolf zum Mann erzieht,
dann soll es mir recht sein,
denn ich bin des Streitens müd.
Und was du auch sonst verlangst von mir,
gehört von nun dir.
Ich will dir nur sagen,
Die Schneiderin bringt Elisabeths Kleid und verschwindet damit hinter dem Paravant.
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bezwing das Gefühl.
Gefühl ist verboten für mich.
Doch wenn ich an dich denke,
schweigt jedes Kalkül.
Ich werde mir untreu für dich!
Ich herrsche und lenke,
Man sieht Elisabeth in einem der Spiegel. Ihr Bild gleicht einem berühmten Gemälde von Franz Xaver Winterhalter aus dem Jahre 1864. Sie tritt aus dem Rahmen des Spiegels heraus… die schönste Frau der Welt!
Elisabeth:
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will ich auch verstanden sein.
Ich will mit dir gehen,
doch sperr mich nicht länger ein.
Du mußt mir nichts geben,
nur laß mir mein Leben!
Denn ich gehör nur mir.
Soll ich dich verstehen,
Elisabeth streckt Franz Joseph die Hand entgegen, doch als er auf sie zugehen will, läßt sie die Hand mit einer abweisenden Bewegung sinken und wendet sich ihrem Spiegelbild zu.
Ich gehör nur mir!
Elisabeths Bild – ist sie es selbst oder nur eine Spiegelung? – erstarrt zu einer Replik des berühmten Gemäldes von Franz Xaver Winterhalter aus dem Jahre 1864.
ENDE DES ERSTEN AKTES